Deutsch-dänische Kunstbeziehungen 1820 bis 1920:

Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts erlebte der dänische Staat eine Blütezeit, die durch einen deutsch-dänischen Kulturtransfer auf allen geistigen Gebieten gekennzeichnet war. Die ersten Wolken wurden durch den Aufstieg eines künstlerischen Selbstbewusstseins aufgeworfen. Asmus Jacob Carstens...

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1. Verfasser: Schulte-Wülwer, Ulrich 1944- (VerfasserIn)
Format: Elektronisch Artikel
Sprache:German
Veröffentlicht: 16.11.2023
Schlagworte:
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Zusammenfassung:Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts erlebte der dänische Staat eine Blütezeit, die durch einen deutsch-dänischen Kulturtransfer auf allen geistigen Gebieten gekennzeichnet war. Die ersten Wolken wurden durch den Aufstieg eines künstlerischen Selbstbewusstseins aufgeworfen. Asmus Jacob Carstens aus Schleswig und Ernst Meyer aus Altona, die sich bei der Medaillenvergabe benachteiligt fühlten und vehement protestierten, wurden 1781 und 1821 von der Kunstakademie in Kopenhagen ausgeschlossen. Dennoch übte die Kopenhagener Kunstakademie eine starke Anziehungskraft auf zahlreiche Künstler aus Norddeutschland aus. In diesem Zusammenhang sind vor allem Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge und Georg Friedrich Kersting zu nennen. Der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen war zeitlebens ein starkes Bindeglied zwischen den in Rom lebenden Deutschen und Skandinaviern. Die ersten Risse in den guten bilateralen Beziehungen entstanden mit dem Erstarken der nationalliberalen Bewegungen. Der einflussreiche Lehrer an der Kopenhagener Kunstakademie, N.L. Høyen, entwarf 1842 ein Programm, das darauf abzielte, Einflüsse aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland, zurückzudrängen. Nicht alle Künstler folgten Høyens Aufruf zur Rückbesinnung auf nationale Themen wie Geschichte, Volksleben und Natur, so dass sich in Dänemark zwei Gruppen gegenüberstanden: die Nationalisten und die Europäer. Mit dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1848/51 kam es zum Bruch und mit dem Krieg von 1864 zum endgültigen Bruch. Erst nach zwanzig Jahren nahmen die Akademien von Kopenhagen und Berlin den Kontakt wieder auf. Ab 1883 gab es gegenseitige Besuche, die dazu führten, dass dänische Künstler wieder an repräsentativen Ausstellungen in Berlin oder München teilnahmen.
Umgekehrt blieb deutschen Künstlern die Teilnahme an Ausstellungen in Kopenhagen verwehrt, eine Ausnahme bildete die Internationale Kunstausstellung anlässlich der Einweihung der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen 1897. Ein von allen akademischen Zwängen befreiter Geist ging auch von den Künstlerkolonien in Europa aus. Insbesondere die Werke der Skagener Maler wurden auf Ausstellungen in München und Berlin enthusiastisch gefeiert, was dazu führte, dass einige deutsche Maler in die dänische Künstlerkolonie reisten, wo sie vorurteilsfrei aufgenommen wurden. Allerdings war die offizielle Akzeptanz und Wertschätzung der Kunst des jeweiligen Nachbarlandes zu keiner Zeit ausgewogen. Während Maler wie Michael Ancher und Peder Severin Krøyer Werke an renommierte Sammler und Museen in Deutschland verkauften, erwarb im Untersuchungszeitraum kein dänisches Museum das Werk eines deutschen Künstlers. Der Berliner Maler Walter Leistikow, der mit einer Dänin verheiratet war, setzte sich für einen deutsch-dänischen Kunsttransfer ein und erreichte, dass der führende dänische Galerist Valdemar Kleis 1894 zum ersten Mal deutschen Malern die Möglichkeit bot, in Kopenhagen auszustellen, von denen die meisten der Gruppe Die XI angehörten, einem Vorläufer der Berliner Sezession. Die Wertschätzung der Skagen-Maler wurde um die Jahrhundertwende von der Bewunderung für die Werke von F.J. Willumsen und Vilhelm Hammershøj abgelöst. Hammershøj füllte auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1900 mit 14 Werken einen eigenen Raum, und die Galerie Schulte in Berlin veranstaltete 1906 eine große Willumsen-Ausstellung. Auch der junge Emil Nolde wurde von dieser Begeisterung erfasst und suchte 1901 sein Glück in Kopenhagen, doch seine Bilder wurden von der Akademieausstellung abgelehnt.
Während die deutsche Bewunderung für die dänische Kunst zwischen 1890 und 1900 ihren Höhepunkt erreichte, blickte man in Dänemark weiterhin an der deutschen Kunstszene vorbei. Das musste auch die Künstlergruppe Die Brücke erfahren, die schon bald nach ihrer Gründung um ausländische Mitglieder warb. Als Kleis 1908 Werke der Brücke-Künstler in Kopenhagen präsentierte, erhielten auch sie nur negative Kritiken. Im März 1910 schien die Zeit reif für einen Stimmungsumschwung. Der Berliner Galerist Herwarth Walden bemühte sich, seine Sturm-Galerie zu einem Sammelpunkt der europäischen Kunst der Moderne zu machen. Im Juli 1912 mietete er das Ausstellungsgebäude der sezessionistischen Gruppe Den Frie in Kopenhagen und veranstaltete dort eine Ausstellung italienischer Futuristen. Als Walden von der dänischen Presse als Kosmopolit gefeiert wurde, der die Moderne nach Kopenhagen gebracht hatte, zeigte er Werke der Franzosen Henri le Fauconier und Raoul Dufy sowie der Malerinnen Marianne von Werefkin und Gabriele Münter, doch der Tenor der Presse war wieder von antideutschen Ressentiments geprägt. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließ sich Walden von der deutschen Propagandaabteilung des deutschen Geheimdienstes missbrauchen, die das Bild der Deutschen im Ausland als Kulturbarbaren zu korrigieren suchte. Walden zeigte im Herbst 1917 im Kopenhagener Künstlerkabarett Edderkoppen Werke von Kandinsky, Klee, Kokoschka, Marc und erneut Gabriele Münter. Er plante auch eine Ausstellung der dänischen Avantgarde in seiner Sturm-Galerie in Berlin, aber die Künstler waren angesichts der deutschen Propaganda, die einen letzten militärischen Erfolg feierte, misstrauisch geworden. Die Ausstellung wurde abgesagt. Das hinderte Walden jedoch nicht daran, kurz vor Kriegsende unter dem Deckmantel des Internationalismus eine Ausstellung in Kleis' Kunsthandlung in Kopenhagen zu organisieren.
Beschreibung:Illustrationen
ISSN:2941-3362
DOI:10.38072/2941-3362/p6

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