Anonymität - Onymität: Autorname und Autorschaft in Wilhelm Meisters "doppelten Wanderjahren"
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Format: | Abschlussarbeit Buch |
Sprache: | German |
Veröffentlicht: |
Heidelberg
Universitätsverlag Winter
[2016]
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Band 357 |
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Inhaltsverzeichnis
VORWORT Der Kredit des Autornamens 11
Goethes Ausdeutung der Affäre um die zweifachen Wanderjahre im Bild der
Falschmünzerei ) das auf die Unrechtmäßigkeit und Wertlosigkeit der
Prägung, auf die Nachdruckdebatte als den Ursprung des Urheberrechts-
gedankens, auf den Zusammenhang von Schriftverfälschung und Falsch-
geld, auf den Credit als Grundlage des Literatur- und Finanzsystems, die
Majestätsbeleidigung und schließlich auf Häresie verweist. Autorname und
Werk beglaubigen sich zirkulär, Anonymität kann dieses Verhältnis irri-
tieren (20f£). Zur Anlage der Arbeit: Forschungsstand, Terminologie, Er-
kenntnisinteresse. Anonymität und Onymität als werkpoeiologisch und
diskursiv potente Größen bilden den Fokus der Studie (46ff).
1 Göthe*s Ewiger Name . Bedingungen onymen Schreibens 55
Der Dichter macht sich einen Namen - dieser Name ist ein Artefakt des
literarischen Diskurses. Zur Wirkung des Namens als rezeptionssteuernde
Größe. Goethezeit : Goethes Autorname als Sonderfall der Literaturge-
schichte (57f£). Onymität schließt als Garant der Werkeinheit das Werk
gegenüber allographen Fortsetzungen ab (94ff.). Wer sich darüber hinweg-
setzt, tastet nicht nur die Integrität des Werks, sondern auch die des
Autornamens an, eines Namens, dem im Falle Goethes Göttlichkeit ein- und
zugeschrieben ist.
Exkurs In fremdem Namen sprechen. Exkurs(ion) in die
ästhetische Naturgeschichte 105
Die zeitgenössische Rezeption unterscheidet metaphorisch zwischen den
Göthocoraxen (Goethes Anhängern) und Pustkuchen als dem Spottvogel
Turdus polyglottus, der fremden Gesang imitiert (111 ff). Mit fremder
Stimme im eigenen Namen zu sprechen ist ein paradoxer Widerspruch. Der
Vergleich mit dem vielstimmigen Spottvogel kommt der Aberkennung einer
kanonisierbaren Einheit gleich, wie sie durch das gÖttiiche Gegenmodell
der Autor und Werk umfassenden Einheit Goethe paradigmatisch reprä-
sentiert wird (136ff).
2 Anonymität und Werkeinheit. Wilhelm Meisters falsche
Wanderjahre 143
Zur diskursiven Wertung der anonymen als falsche Wanderjahre. Die
Entkopplung von Autor und Werk in der Anonymität ist der Garant für die
angestrebte Verbindung zwischen Wilhelm Meisters Lehrjahren und den
allographen anonymen Wanderjahren; ausgehebelt wird die autorzentrierte
Logik einer auf Onymität beruhenden Werkeinheit (158ff.). Korrelationen
von Anonymität und Fiktion: Kein aus dem Werk hinausweisender
Autorname durchkreuzt die Fiktion, ein auf extradiegetischer Ebene
angesiedelter Biograph sei der »Verfasser der Wanderjahre« (171 ff.).
3 Anonymität und Kritik. Des falschen Wilhelm Meisters
Wanderjahre 187
i
Vor dem Hintergrund der postulierten Werkeinheit von Lehr- und anony-
men Wanderjahren richtet sich das Werk in der allographen Fortsetzung
selbst. Der Autor muss in die Anonymität zunicktreten, damit das Werk
Kritik an Goethe als Erkenntnis seiner selbst entwickeln kann. Die offen-
sichtliche Affinität zu romantischen Verfahren wird geleugnet (202ff.).
Goethes metonymische Rede vom Wanderen und literaturkritische Be-
schreibungsversuche der komplexen metaauktorialen Werkzusammenhänge
kreuzen sich (208ff). Der Autonomisierung Wilhelms auf der Handlungs-
ebene in den anonymen Wanderjahren entspricht die Autonomisierung der
literarischen Figur im Diskurs. Wilhelm Meister in Vertretung der Autor-
position: Anonymität als Irritation des bibliographischen Systems (217ff).
4 Anonymität und Plagiat. Der halbfalsche Verfasser der
falschen Wanderjahre 227
Die anonyme allographe Fortsetzung ist nicht justiziabel, doch ihre Kritik
an den Exklusionsmechanismen onymer Autorschaft reflektiert die zeitge-
nössischen Bemühungen um Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums. Auf
der Figurenebene wird das Modell einer überbietend konzipierten poeti-
schen Arbeitsteilung entwickelt, das in einem komplexen Spiegelungsver-
hältnis zur intertextuellen Konstellation der Wanderjahre steht (234ff.).
Stellvertretend für das nicht greif- und strafbare Plagiat an Goethe wird
Pustkuchen vorgeworfen, fremde Manuskripte zu veröffentlichen. Wilhelm
Meisters Meisterjahre, eine anonyme Fortsetzung von Goethes Wander-
jahren, schlagen die anonymen Wanderjahre, den Fall strukturell verdop-
pelnd, mit ihren eigenen Waffen der performativen Anonymitätc (245ff).
5 Automame und Werk. Anonymität, Pseudonymität und
Onymität als Kanonisierungsfaktoren 261
Pustkuchens Misserfolg, sich als Autor im onym strukturierten Litera-
turbetrieb einen Namen zu machen. Die Hybridisierung des Autornamens
durch pseudonyme Veröffentlichungsstrategien und die Tilgung desselben
durch anonyme Autorschaft gehen mit dem Verlust eines festen, diskursiv
wirksamen Autornamens einher. Die Schwierigkeiten bibliographischer
Verzeichnung und literaturgeschichtlicher Kanonisierbarkeit anonymer und
pseudonymer Werke weisen auf die pragmatische Bedeutung des Autor-
namens für ein Œuvre.
6 Der Antigöthe . Diskursive Dialektik von Anonymität
und Onymität 299
Das Komplement zu dem Namen, den sich ein Autor macht, ist der Name,
der ihm gemacht wird, der Teil des Autornamens, der sich einer direkten
Kontrolle des Namensträgers entzieht, weil er Gegenstandfremder Rede ist.
Metaphorische Deutungen des Namens Pustkuchen . Namenspiele als Aus-
handlungsprozesse von Epochengrenzen: Das Beispiel Heinrich Heine
(319ff.). Pustkuchens paradoxe Berühmtheit in fremdem Namen als Anti-
göthe ist Unterwerfung unter und Triumph über den Namen Goethe
zugleich: Als Antigöthe ist Pustkuchen nicht nur lexikalisch mit Goethe
verschmolzen, er ist in der diskursiven Praxis ein Teil von ihm geworden
(331 ff.).
Nachwort Der Wert des Automamens 343
Der Autorname hat einen Marktwert , insofern es eine Nachfrage nach ihm
gibt. Damit ist er zugleich ein Spekulationsobjekt, das bei geschicktem Ein-
satz Ertrag bringen kann. Der Preis, den Pustkuchen für seinen Namen
ansetzt - ein offenes Bekenntnis gegen Goethe —, ist allerdings zu hoch. Der
auf öffentlichem Interesse beruhende relative Wert des Autornamens ist auf
komplexe Weise mit der werkkonstitutiven Funktion des Autornamens ver-
bunden. Autor und Werk kreditieren sich nicht nur gegenseitig, sie diskre-
ditieren sich auch (350ff). Rechtsgeschichtlich wird Eigennamen dagegen
Ende des 19. Jahrhunderts über das Persönlichkeitsrecht ein unveräußer-
licher Wert zugestanden, ein Wert, der außerhalb des Namens als diskur-
siver Erzählung liegt.
Anhang
355 |
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