Timpul nemântuit: paradigme culturale în muzica lui Aurel Stroe
Gespeichert in:
1. Verfasser: | |
---|---|
Format: | Buch |
Sprache: | Romanian German |
Veröffentlicht: |
Bucureşti
Ed. Inst. Cultural Român
2007
|
Schlagworte: | |
Online-Zugang: | Inhaltsverzeichnis Abstract |
Beschreibung: | 174 S. Ill., graph. Darst., Notenbeisp. |
ISBN: | 9789735775261 |
Internformat
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adam_text | CUPRINS
PRELIMINARII
........................................................ 5
CĂUTĂRI, INOVAŢII, ASPECTE DEFINITORII
...........................15
CULMINAŢIILE ULTIMULUI DECENIU
.................................55
Concertul pentru vioară
............................................55
Concertul pentru saxofon
...........................................61
Ciaccona con alcune licenze.........................................
66
Preludii lirice
.....................................................71
Mandala
cu o polifonie de Antonio
Lotti
...............................74
Concertul pentru acordeon
..........................................79
Accords et comptines
...............................................85
Carillons et échos
..................................................85
VARIA
................................................................89
UNIVERSUL
LIRICO-DRAMATIC
.......................................93
Das Weltkonzil....................................................95
Copilul şi diavolul
.................................................91
Trilogia Cetăţii închise
.............................................122
Agamemnon......................................................123
Choeforele
.......................................................126
Eumenidele
......................................................153
Posibile sinteze
.........................................................157
Musik und Ideen .......................................................161
Aurel
Stroe —
Creaţii
....................................................169
Bibliografie
...........................................................
Indice de nume
.........................................................
Musik und Ideen - der Komponist
Aurel
Stroe
Bereits im Jugendwerk von
Aurel
Stroe findet man ein fortschreitendes und erfrischendes
Fließen der Musik, eine Ausdruckskraft und Begründung des Unbekannten, Merkmale die zu
einer Offenbarung des Endergebnisses rühren.
Ungewöhnliche und spannende Zusammenhänge, ein ewig währender Richtwert von
Unabsehbarkeit verstärkt die dramaturgischen Valenzen und die künstlerische Empfindlichkeit
zu unvorhersehbaren Ebenen und eröffnet somit eine neue Möglichkeit, nicht nur die Mittel,
sondern auch die Funktion der Musik in Werken wie
Arcades,
Laudes
I,
II giardino delle strut¬
ture
oder das
Concerto
ßr Klarinette und Orchester,
Canto
I
und
II,
die Oper Die
Choëphoren
zu überdenken. Jede davon ist ein Bezugspunkt in der Entwicklung der rumänischen
Komponistik.
Die Werke des letzten Jahrzehntes weisen ein Gleichgewicht der Synthesen auf, eine
Objektivität des Überblickes verschiedener entfernter Räumlichkeiten, die man auf der Ebene
der Auffassung und der Wahrnehmung näher zu rücken versucht, trotz der Entfernung und ihrer
Unermesslichkeit, von derer Klarheit sich der Komponist regelrecht aufgereizt fühlt. Durch das
Beifügen von Widersprach und Gegensatz entstehen Situationen, von denen der Autor ausgeht
und intuitiv Übereinstimmungen erfasst, wobei er dem Unbekannten trotzt und zuletzt neue
Gebiete erobert, deren Dimensionen das Authentische und Unaussprechliche ausmachen.
„Mein Werk
muss
man im besonderen Licht dieser - zum Teil peinlichen, manchmal
gefahrlichen - Beziehungen betrachten, die ich (ohne daraus einen Selbstzweck zu machen)
zwischen Welten zu erfahren versuchte, die einmal ein Ganzes bildeten, zwischen denen sich
eiserne Vorhänge befanden und sich dadurch Abgründe auftaten. Meine große Genugtuung war
der Erhalt des Herder-Preises 2002 gerade durch meine Eigenschaft als Gestalter - durch die
Musik - von Brücken zwischen verschiedenen Zivilisationen.
Aurel
Stroe wurde am 5. Mai 1932 in einer Intellektuellenfamilie geboren. Er studierte
an der Bukarester Hochschule für Musik mit
Marţian Negrea
und
Mihail
Andricu,
1961 wurde
er Assistent am Lehrstuhl für Komposition.
Zwischen 1972-1973 erhielt er ein DAAD-Stipendium in Berlin und lernte das Archiv
des Instituts für vergleichende Musikstudien und Dokumentation von Alain
Danielou
kennen,
das ihm wesentliche Perspektiven für seinen komponistischen Stil eröffnete. 1985 verließ er
endgültig Rumänien und wohnt seitdem in Mannheim. Im selben Jahr war er auch
Visiting
Professor an der Universität Illinois. Seit 1984 erhält er regelmäßig Aufträge vom
Französischen Kulturministerium.
In
Aurel
Stroes Leben gab es zahlreiche und wichtige „Brüche . Manche davon hinter¬
ließen Spuren in seinem musikalischen Werk. Handelt es sich dabei um eine Folge oder nur um
einen Zufall seiner eigenen künstlerischen und kulturellen Beschäftigungen? Beginnend mit
161
1993 unterrichtete er erneut für einige Jahre an der Hochschule für Musik in Bukarest und seit
1992 hält er jährlich Sommerkurse für Komponisten in Bu°teni. 2002 erhielt er den Gottfried-
von-Herder-Preis der Universität Wien und 2006 den Hauptpreis Prometheus der Stiftung
Anonimul.
Es ist wähl·,
dass
man die Mechanismen von
Aurel
Stroes Schaffen in seinen Studien
wieder finden kann. Man nennt sie „Klassen von Kompositionen , darüber wurde teilweise in
der Zeitschrift
Muzica
berichtet und sie fanden Anwendung einerseits in den Werken der 60er-
70er, andererseits in der Ausformulierung der „morphogenetischen Route , die in den Werken
der 70er, 80er und 90er erscheint. In dieselbe Kategorie stuft man auch das Interesse für die
Arbeit mit verschiedenen Stimmungssystemen ein, mit komplementären Möglichkeiten, die
eine andere bedeutende Richtlinie seiner Kompositionen ausmacht.
Das wissenschaftliche Argument der morphogenetischen Theorie ist die
Katastrofentheorie von René Thom, die Thermodynamik und die Theorie der dissipativen
Strukturen von llya Prigogine. Das Interesse für diese Phänomene begann während des
Studiums einiger Musikfcompositionen, in deren Innern dramatische Änderungen der Struktur
stattfanden, die durch eine einfache Analyse nicht erklärbar sind, genau wie jene aus der letzten
Schaffenszeit Beethovens - z.B. in den Quartetten - oder Gustav Mahlers Symphonien, Werke
von
Alban
Berg,
John Cage,
Mauricio
Kagel. Bei diesen Komponisten findet man abwechsel¬
nde Strukturen, schwer zu definieren und zu entdecken, ästhetische Kriterien in Unordnung -
„man weiß nicht mehr sicher was schön ist und was hässlich, was ausgeglichen ist oder nicht,
was einheitlich oder getrennt ist, was dazu passt und was falsch klingt. 1
Diese Musikart (die in Übergangsphasen der Stilgeschichte auftaucht) kann man, durch
ihren stets veränderbaren Charakter und ihrer Ungewöhnlichkeit im Gegensatz zu den
Partituren der Zeit, als morphogenetisch bezeichnen.
Durch die somit ausformulierte Theorie warnt man über die Gefahr der Einteilung in
vorbestimmte Kategorien, sie kann sich aber gleichzeitig auch in eine Inspirationsquelle ver¬
wandeln.
In der morphogenetischen Musik wird die Handlung durch die Wiedergewinnung der
Naturgesetze nachgeholt. Die Darstellung einer Oper wird der Genetik gleichgesetzt, zusam¬
men mit ihren Evolutions- und Involutionsgesetzen, durch die Zwischenbeziehungen der uni¬
versellen und individuellen Morphogenese.
Aurei Stroe
ist sich der konstruktiven Prinzipien
dieser künstlerischen Orientierung bewusst und besteht auf den Gedanken eines Braches und
auf die strukturellen und semantischen Einbeziehungen der Katastrophe. Letztendlich handelt
es sich um die Änderung des äußeren Erscheinungsbildes in Bezug auf das Kunstwerk, in
Bezug auf dessen
Ontologie,
sobald es aus einer dynamischen Perspektive betrachtet wird, die
der Regelwidrigkeit und der Abweichung den Status eines Beispiels mit semantischer Ladung
einräumt. Dadurch entstehen strukturelle Unbeständigkeiten, WiderStreitigkeiten,
Katastrophen. „Entgegengestellt der morphogenetischen Musik, die vom strukturellen
Standpunkt nicht zum logischen Prinzip der Zustimmung passt, definiert sich somit die der
Nonn entsprechende Musik durch die ontologische Übernahme der formalen Identität (oder in
strukturellen Variationen) .
„In der morphogenetischen Musik entwickeln sich die möglichen Veränderungen aus der
äußeren Handlung der Werke und bestimmen somit den inneren Ablauf in einer entscheidender
1
Aurel
Stroe, Cosmm Georgescu, Mario Georgescu,
Musique
morphogenetiques.
Un abord catastrophique-thermody¬
namique sur la composition musicale, in:
Muzica
Nr. 12/1986,
S.
45, Bukarest.
162
Weise. Diese Art von Kompositionen werden nicht wie eigentliche Musikstücke zusam¬
mengestellt, weil der einigende Faktor nicht der Interaktionsprozess einer einzelnen
Ontologie
ist, sondern der entstellte Charakter der
Ontologie,
sagen wir die Form der zusammenfließen¬
den Strukturen. Man findet sie, wie es ähnliche Fälle zeigen, am Anfang unmöglicher
Musikwerke mit verstörenden Verbindungspunkten und Symmetrien, mit Brüchen und
ungeeigneten grammatikalischen Unvereinbarkeiten, die unvorhersehbar die Beziehung zwis¬
chen den bestehenden Elementen der klangvollen Sprache bestimmt. Ihr einziger radikaler
Charakter ist ihre Duldsamkeit, sie werden somit unrein. Die morphogenetischen Strukturen
aktualisieren die abstrakte Grundidee einer Musikkomposition und sie wird folglich auch so
dargestellt. 2
Die Anfänge einer morphogenetischen Komponistik erkennt man in der
Sonata
I
für
Klavier, durch den Bruch des 1. und 2. Satzes, im Konzert für Klavier, Schlagzeug und
Blechbläser, wo die Harmonien der Blechbläser eine Eigenstruktur aufweisen und die Teile für
das Klavier eine andere; diese verallgemeinert sich schließlich im Konzertßr Klarinette und
Orchester und wird sichtbar in Werken, in denen sie Dramatik hervorrufen. In der Oper Das
Weltkonzil gibt es Brüche zwischen den dargestellten Personen (Antichrist - Apolonius) und im
Inneren ihres Seins (Antichrist ist an und für sich rein, doch er verleitet zur Sünde). In den mor¬
phogenetischen Opern trifft man Strukturbrüche an, die das Werk innerlich zerstören, wie im
Fall der
Choëphoren
oder im Agamemnon (wurde zuvor geschrieben) und treten nicht mehr so
stark hervor in den Eumeniden. Brüche treten häufiger in den breit angelegten symphonischen
Stücken der 90er Jahre auf, wie z. B. im Konzert für Geige und Solistenensemble „
Capricci et
Ragas
(der Bruch zwischen dem Paradigma, das verwirrt und bis hin ins Chaos führt, und dem
anderen Paradigma, dargestellt durch die Meditation vom indischen Typus), die Brüche der
Accords et comptines
(abstrakte, im Studio produzierte Akkorde und spontane Kinderlieder)
und im Stück J. S. Bach - Sound
introspection
(eine Art Instrumentation ungeschriebener
Variationen der Goldberg-Reihe) für 14 Solo-Instrumente. Diese Brüche unterscheiden sind
auch ihrer Form nach: senkrecht (wie in der mehrschichtigen Musik der
Choëphoren),
waagerecht und diagonal, wobei jede einzelne Form später im Vortrag untersucht wird.
Die Werke der vergangenen Jahre, das Konzert
fúr
Geige und Solistenensemble
„Capricci et
Ragas
(1990),
Prairie, Prières
- Konzert ßr Saxophon und großes Orchester
(1993),
Ciaccona con alcune licenze
- Symphonie
fir
großes Orchester (1995-1996),
Mandala
mit einer
Polyphonie
von Antonio
Lotti
-fúr
großes Orchester und Kammerchor (1996-1997)
oder Konzert filr Akkordeon und Ensemble (2001), stellen eine Suite mit einheitlichem Inhalt
dar und trotzdem enthalten sie Ausschnitte mit unverwechselbaren Elementen, die ständig neu
überraschend wirken und das Eigentümliche als Bild und Konstruktion hervorheben, ihr Reiz
und Glaubwürdigkeit im Gesamteindrack verleihen und gleichzeitig auch durch die Echtheit
der bildenden Elemente, die Originalität der gefundenen Lösungen und die Eigenständigkeit der
Töne überzeugen. ,
Versuchte man, die Merlanale der gegenwärtigen Kompositionstechnik von
Aurel
Stroe
auszumachen, die letztendlich Erfüllungen und Gewissheit einer Suche mehrerer Jahrzehnte
kreativer Tätigkeit darstellen, so würde man in jedem Werk Formen und
Ausdracksmöglichkeiten erkennen, die gleichzeitig Teile einer viel umfangreicheren stilistis¬
chen Verhaltensweise (einige Werke sind zusammengeführt worden
m
em Triptychon
z.B. das
Konzert
får
Saxophon,
Ciaccona con alcune licenze
und
Mandala
mü einer
Polyphonie
von
2 Dies., in:
„Muzica ,
Nr. 1/1987, S. 41.
163
seine gesamte Karriere mit lyrisch-dramatischen Werken festgelegt, beginnend mit der szenis¬
chen Musik Ödipus in Kolonos (1963)(für eine Aufführung beim Nottara-Theater) und bis zur
Trilogie
der geschlossenen Stadt (1973-1987) nach Aischylos rnidDas Weltkonzil (1986-1987)
nach Soloviov in einer vielfaltigen Ausdrucksreihe und musikal-dramatischen Architektur.
Vielleicht mehr als die instrumentalen heben die lyrischen Musikwerke getreu zwei Richtungen
hervor, die in der Komposition von
Aurel
Stroe in Erscheinung treten und gleichzeitig auch die
Ebenen einer unaufhörlichen Suche darstellen: ein archaischer, melodischer Hintergrund, der
einzigartig zu sein scheint (der Autor verlässt sich darauf), der aber eine verschiedenartige
Verbreitung hat und andererseits als ein Studium mit logisch-formellen Fundamenten der
musikalischen Sprache in den grundlegenden Systemen des musikalischen Denkens zu verste¬
hen ist. Diese beiden Richtungen entdeckt man in den meisterhaften Werken nach Aischylos,
sie erscheinen aber auch in anderen lyrischen Fragmenten. Dadurch rundet sich das Bildnis der
Kammeroper und ihre Persönlichkeit in der Schöpfung durch den Autor ab.
Die Partitur der Orestien {Die
Trilogie
der geschlossenen Stadt) hebt eine persönliche
Kommunikation des Musikers mit den Schriften des Aischylos hervor, jedoch nicht als Lektüre
eines berühmten Textes, der durch Musik dargestellt wird, sondern als ständige Frage, als Suche
im
Subtext
des klassischen Stückes, in dem keine Frage angeboten wird, sondern wo man
immer wieder eine Antwort von Seiten der Zeitgenossen erwartet. Die Begründung des
Komponisten lautet3:
„Beurteilt man die starke und lang anhaltende Resonanz, die der Trojanische Krieg im
Gewissen der griechisch-römischen Antike hatte, so kann man behaupten,
dass
er die Ausmaße
einer geologischen Katastrophe ausmachte, die den Schwerpunkt der Welt veränderte und einen
endgültigen Bruch zwischen den Zeiten davor und denjenigen danach erzeugt hat. 4
Unendliche menschliche Leiden, Sklaverei, Grausamkeiten, eine Reihe von Morden und
weitere Anomalien - zum Beispiel der Vatermord - haben die tief greifenden Veränderungen
begleitet, die erzeugt wurden durch das endgültige Zerfallen einer archaischen Zivilisation.
Im Lager der Sieger werden die ehrgeizigen und grausamen Tyrannen von anderen noch
niederträchtigeren und hinterlistigeren Tyrannen hingerichtet, die skrupellos unterdrücken,
Angst haben und gleichzeitig zynisch wirken. Es sieht so aus, als würde über die ganze Welt ein
Geist der Zerstörung schweben: am Anfang wird sie durch einen schnellen Rhythmus
dargestellt, anschließend verlangsamt er sich. Das nicht rückgängig zu machende, Unheilbare
erscheint nun mehr denn je als Hauptbedingung des neu Entstehenden. Eine Art tiefer Schauer
durchfährt das Unverzeihliche dieser Zersetzung, die uns heutzutage wieder vor Augen führt
wie in einem geschlossenen System - wie riesig dieses auch sein mag - das zweite Prinzip der
Thermodynamik funktioniert.5
Dieser Gesichtspunkt hat mich womöglich am stärksten an die drei Stücke gebunden, die
gemeinsam die Orestie des Aischylos bilden, der zeitgenössische Dramatiker - nicht nur am
Leben sondern auch gedanklich - mit den so genannten „tragischen Philosophen (Nietzsche)
der Vorsokratiker, die in vielen Hinsichten unsere Betrachtungsmöglichkeit vorausgesehen
3 In:
„Secolul
XX ,
Nr. 8/1983, „Fafa
ascunsă
a
Choeforelor (Das versteckte Gesicht der
Choëforen
-
Anm. d.
Übers.),
S.
23.
4 Wie man sehen wird, spielt der Gedanke des Bruches eine Hauptrolle in der theoretischen Auffassung des Werkens -
Anm.
d. Aut.
5 Es handelt sich um die Entropie - „Maß für den Ordnungszustand thermodynamischer Systeme bzw. für die
Irreversibilität der in ihnen ablaufenden thermodynamischen Prozesse und eine dabei erfolgende Energieentwertung
(Brockhaus-Enzyklopädie, 20. Überarb, und aktualisierte Aufl., F.A.Brockhaus GmbH, Leipzig/Mannheim, 1996, Bd. 6,
S. 430)
-Anm.
d. Aut.
166
haben. Außerdem
muss
hervorgehoben werden,
dass
bei Aischylos der Ausweg aus dem unun¬
terbrochenen Zustand des Zusammenbruches erst durch die Eröffiiung zu einer anderen Welt
ermöglicht wird, hier dargestellt durch Athen, die erste uns bekannte Form der Demokratie, wo
eine so verschiedenartige Mentalität vorherrschte im Gegensatz zur primitiven Denkweise von
Argos,
der Handlungsort der ersten beiden Stücke der
Trilogie:
Agamemnon und Die
Choëphoren.
Das Werk6 von
Aurel
Stroe ist somit eine Meditation zur Thematik der geschlossenen
Städte, die innerlich verfallen und nur durch das Durchsickern einer Nachricht von außen kann
sich ihr ordnungsgemäßes Wertesystem heranbilden. Es handelt sich gleichzeitig um eine per¬
sönliche Interpretation des antiken Textes, wobei der Autor sowohl erkennbare als auch ver¬
steckte Dimensionen hervorhebt, die durch eine gegenwärtige Perspektive bemerkbar sind. Die
Musik spielt eine wesentliche Rolle in der Verstärkung von Charaktereigenschaften und vor
allem in der Betonung des Gleichgewichtes zwischen Moderne und Tradition, zwischen statisch
und fortschreitend, Macht und Unterwerfimg, ein immer unsicheres Gleichgewicht deren
Bewegung den Sinn dieser Tragödie ausmacht. Durch die Rolle und die Funktion des Lautes
dieses Stückes werden die Grenzen dieser Musikform überschritten und die Verschmelzung des
Lyrischen mit dem Dramatischen erzeugt neue Ausdrucksmöglichkeiten und verschiebt gle¬
ichzeitig den Schwerpunkt von einer Struktur zur anderen. Auf diese Art deckt man in der
gesamten
Trilogie
eine breite Fläche der Schauspielhandlung.
Die konzeptionelle Einheit, die Genauigkeit mit der
Aurel
Stroe das Ausweiten der
Kommunikationsmöglichkeiten auf allen Ebenen zwischen den verschiedenen begrenzten
Wirklichkeiten (geschichtlich, geographisch, kulturell, gefühlsmäßig) bisher verfolgt hat und
auch weiterhin verfolgt, ist ein kennzeichnender Wesenszug seiner Darstellung als Komponist.
Er versucht die Kontaktpunkte zu vervielfältigen und Brücken festzulegen zwischen
ursprünglich sehr verschiedenen Lautzonen, die nicht unverträglich, sondern unermesslich sind.
Das breit angelegte Verhältnis der Musik mit dem Dasein des Menschen im allgemeinen
befindet sich unter einer ständigen Veränderung der ständigen Schichten unseres Bewusstseins
und Unterbewusstseins.
(Am dem Rumänischen von Raäu-Mihai Alexe)
6 Die
Trilogie
der geschlossenen Stadt, geschrieben zwischen 1973 - Berlin und 1988 - Mannheim.
167
|
adam_txt |
CUPRINS
PRELIMINARII
. 5
CĂUTĂRI, INOVAŢII, ASPECTE DEFINITORII
.15
CULMINAŢIILE ULTIMULUI DECENIU
.55
Concertul pentru vioară
.55
Concertul pentru saxofon
.61
Ciaccona con alcune licenze.
66
Preludii lirice
.71
Mandala
cu o polifonie de Antonio
Lotti
.74
Concertul pentru acordeon
.79
Accords et comptines
.85
Carillons et échos
.85
VARIA
.89
UNIVERSUL
LIRICO-DRAMATIC
.93
Das Weltkonzil.95
Copilul şi diavolul
.91
Trilogia Cetăţii închise
.122
Agamemnon.123
Choeforele
.126
Eumenidele
.153
Posibile sinteze
.157
Musik und Ideen .161
Aurel
Stroe —
Creaţii
.169
Bibliografie
.
Indice de nume
.
Musik und Ideen - der Komponist
Aurel
Stroe
Bereits im Jugendwerk von
Aurel
Stroe findet man ein fortschreitendes und erfrischendes
Fließen der Musik, eine Ausdruckskraft und Begründung des Unbekannten, Merkmale die zu
einer Offenbarung des Endergebnisses rühren.
Ungewöhnliche und spannende Zusammenhänge, ein ewig währender Richtwert von
Unabsehbarkeit verstärkt die dramaturgischen Valenzen und die künstlerische Empfindlichkeit
zu unvorhersehbaren Ebenen und eröffnet somit eine neue Möglichkeit, nicht nur die Mittel,
sondern auch die Funktion der Musik in Werken wie
Arcades,
Laudes
I,
II giardino delle strut¬
ture
oder das
Concerto
ßr Klarinette und Orchester,
Canto
I
und
II,
die Oper Die
Choëphoren
zu überdenken. Jede davon ist ein Bezugspunkt in der Entwicklung der rumänischen
Komponistik.
Die Werke des letzten Jahrzehntes weisen ein Gleichgewicht der Synthesen auf, eine
Objektivität des Überblickes verschiedener entfernter Räumlichkeiten, die man auf der Ebene
der Auffassung und der Wahrnehmung näher zu rücken versucht, trotz der Entfernung und ihrer
Unermesslichkeit, von derer Klarheit sich der Komponist regelrecht aufgereizt fühlt. Durch das
Beifügen von Widersprach und Gegensatz entstehen Situationen, von denen der Autor ausgeht
und intuitiv Übereinstimmungen erfasst, wobei er dem Unbekannten trotzt und zuletzt neue
Gebiete erobert, deren Dimensionen das Authentische und Unaussprechliche ausmachen.
„Mein Werk
muss
man im besonderen Licht dieser - zum Teil peinlichen, manchmal
gefahrlichen - Beziehungen betrachten, die ich (ohne daraus einen Selbstzweck zu machen)
zwischen Welten zu erfahren versuchte, die einmal ein Ganzes bildeten, zwischen denen sich
eiserne Vorhänge befanden und sich dadurch Abgründe auftaten. Meine große Genugtuung war
der Erhalt des Herder-Preises 2002 gerade durch meine Eigenschaft als Gestalter - durch die
Musik - von Brücken zwischen verschiedenen Zivilisationen."
Aurel
Stroe wurde am 5. Mai 1932 in einer Intellektuellenfamilie geboren. Er studierte
an der Bukarester Hochschule für Musik mit
Marţian Negrea
und
Mihail
Andricu,
1961 wurde
er Assistent am Lehrstuhl für Komposition.
Zwischen 1972-1973 erhielt er ein DAAD-Stipendium in Berlin und lernte das Archiv
des Instituts für vergleichende Musikstudien und Dokumentation von Alain
Danielou
kennen,
das ihm wesentliche Perspektiven für seinen komponistischen Stil eröffnete. 1985 verließ er
endgültig Rumänien und wohnt seitdem in Mannheim. Im selben Jahr war er auch
Visiting
Professor an der Universität Illinois. Seit 1984 erhält er regelmäßig Aufträge vom
Französischen Kulturministerium.
In
Aurel
Stroes Leben gab es zahlreiche und wichtige „Brüche". Manche davon hinter¬
ließen Spuren in seinem musikalischen Werk. Handelt es sich dabei um eine Folge oder nur um
einen Zufall seiner eigenen künstlerischen und kulturellen Beschäftigungen? Beginnend mit
161
1993 unterrichtete er erneut für einige Jahre an der Hochschule für Musik in Bukarest und seit
1992 hält er jährlich Sommerkurse für Komponisten in Bu°teni. 2002 erhielt er den Gottfried-
von-Herder-Preis der Universität Wien und 2006 den Hauptpreis Prometheus der Stiftung
Anonimul.
Es ist wähl·,
dass
man die Mechanismen von
Aurel
Stroes Schaffen in seinen Studien
wieder finden kann. Man nennt sie „Klassen von Kompositionen", darüber wurde teilweise in
der Zeitschrift
Muzica
berichtet und sie fanden Anwendung einerseits in den Werken der 60er-
70er, andererseits in der Ausformulierung der „morphogenetischen Route", die in den Werken
der 70er, 80er und 90er erscheint. In dieselbe Kategorie stuft man auch das Interesse für die
Arbeit mit verschiedenen Stimmungssystemen ein, mit komplementären Möglichkeiten, die
eine andere bedeutende Richtlinie seiner Kompositionen ausmacht.
Das wissenschaftliche Argument der morphogenetischen Theorie ist die
Katastrofentheorie von René Thom, die Thermodynamik und die Theorie der dissipativen
Strukturen von llya Prigogine. Das Interesse für diese Phänomene begann während des
Studiums einiger Musikfcompositionen, in deren Innern dramatische Änderungen der Struktur
stattfanden, die durch eine einfache Analyse nicht erklärbar sind, genau wie jene aus der letzten
Schaffenszeit Beethovens - z.B. in den Quartetten - oder Gustav Mahlers Symphonien, Werke
von
Alban
Berg,
John Cage,
Mauricio
Kagel. Bei diesen Komponisten findet man abwechsel¬
nde Strukturen, schwer zu definieren und zu entdecken, ästhetische Kriterien in Unordnung -
„man weiß nicht mehr sicher was schön ist und was hässlich, was ausgeglichen ist oder nicht,
was einheitlich oder getrennt ist, was dazu passt und was falsch klingt."1
Diese Musikart (die in Übergangsphasen der Stilgeschichte auftaucht) kann man, durch
ihren stets veränderbaren Charakter und ihrer Ungewöhnlichkeit im Gegensatz zu den
Partituren der Zeit, als morphogenetisch bezeichnen.
Durch die somit ausformulierte Theorie warnt man über die Gefahr der Einteilung in
vorbestimmte Kategorien, sie kann sich aber gleichzeitig auch in eine Inspirationsquelle ver¬
wandeln.
In der morphogenetischen Musik wird die Handlung durch die Wiedergewinnung der
Naturgesetze nachgeholt. Die Darstellung einer Oper wird der Genetik gleichgesetzt, zusam¬
men mit ihren Evolutions- und Involutionsgesetzen, durch die Zwischenbeziehungen der uni¬
versellen und individuellen Morphogenese.
Aurei Stroe
ist sich der konstruktiven Prinzipien
dieser künstlerischen Orientierung bewusst und besteht auf den Gedanken eines Braches und
auf die strukturellen und semantischen Einbeziehungen der Katastrophe. Letztendlich handelt
es sich um die Änderung des äußeren Erscheinungsbildes in Bezug auf das Kunstwerk, in
Bezug auf dessen
Ontologie,
sobald es aus einer dynamischen Perspektive betrachtet wird, die
der Regelwidrigkeit und der Abweichung den Status eines Beispiels mit semantischer Ladung
einräumt. Dadurch entstehen strukturelle Unbeständigkeiten, WiderStreitigkeiten,
Katastrophen. „Entgegengestellt der morphogenetischen Musik, die vom strukturellen
Standpunkt nicht zum logischen Prinzip der Zustimmung passt, definiert sich somit die der
Nonn entsprechende Musik durch die ontologische Übernahme der formalen Identität (oder in
strukturellen Variationen)".
„In der morphogenetischen Musik entwickeln sich die möglichen Veränderungen aus der
äußeren Handlung der Werke und bestimmen somit den inneren Ablauf in einer entscheidender
1
Aurel
Stroe, Cosmm Georgescu, Mario Georgescu,
Musique
morphogenetiques.
Un abord catastrophique-thermody¬
namique sur la composition musicale, in:
Muzica
Nr. 12/1986,
S.
45, Bukarest.
162
Weise. Diese Art von Kompositionen werden nicht wie eigentliche Musikstücke zusam¬
mengestellt, weil der einigende Faktor nicht der Interaktionsprozess einer einzelnen
Ontologie
ist, sondern der entstellte Charakter der
Ontologie,
sagen wir die Form der zusammenfließen¬
den Strukturen. Man findet sie, wie es ähnliche Fälle zeigen, am Anfang unmöglicher
Musikwerke mit verstörenden Verbindungspunkten und Symmetrien, mit Brüchen und
ungeeigneten grammatikalischen Unvereinbarkeiten, die unvorhersehbar die Beziehung zwis¬
chen den bestehenden Elementen der klangvollen Sprache bestimmt. Ihr einziger radikaler
Charakter ist ihre Duldsamkeit, sie werden somit unrein. Die morphogenetischen Strukturen
aktualisieren die abstrakte Grundidee einer Musikkomposition und sie wird folglich auch so
dargestellt."2
Die Anfänge einer morphogenetischen Komponistik erkennt man in der
Sonata
I
für
Klavier, durch den Bruch des 1. und 2. Satzes, im Konzert für Klavier, Schlagzeug und
Blechbläser, wo die Harmonien der Blechbläser eine Eigenstruktur aufweisen und die Teile für
das Klavier eine andere; diese verallgemeinert sich schließlich im Konzertßr Klarinette und
Orchester und wird sichtbar in Werken, in denen sie Dramatik hervorrufen. In der Oper Das
Weltkonzil gibt es Brüche zwischen den dargestellten Personen (Antichrist - Apolonius) und im
Inneren ihres Seins (Antichrist ist an und für sich rein, doch er verleitet zur Sünde). In den mor¬
phogenetischen Opern trifft man Strukturbrüche an, die das Werk innerlich zerstören, wie im
Fall der
Choëphoren
oder im Agamemnon (wurde zuvor geschrieben) und treten nicht mehr so
stark hervor in den Eumeniden. Brüche treten häufiger in den breit angelegten symphonischen
Stücken der 90er Jahre auf, wie z. B. im Konzert für Geige und Solistenensemble „
Capricci et
Ragas
" (der Bruch zwischen dem Paradigma, das verwirrt und bis hin ins Chaos führt, und dem
anderen Paradigma, dargestellt durch die Meditation vom indischen Typus), die Brüche der
Accords et comptines
(abstrakte, im Studio produzierte Akkorde und spontane Kinderlieder)
und im Stück J. S. Bach - Sound
introspection
(eine Art Instrumentation ungeschriebener
Variationen der Goldberg-Reihe) für 14 Solo-Instrumente. Diese Brüche unterscheiden sind
auch ihrer Form nach: senkrecht (wie in der mehrschichtigen Musik der
Choëphoren),
waagerecht und diagonal, wobei jede einzelne Form später im Vortrag untersucht wird.
Die Werke der vergangenen Jahre, das Konzert
fúr
Geige und Solistenensemble
„Capricci et
Ragas"
(1990),
Prairie, Prières
- Konzert ßr Saxophon und großes Orchester
(1993),
Ciaccona con alcune licenze
- Symphonie
fir
großes Orchester (1995-1996),
Mandala
mit einer
Polyphonie
von Antonio
Lotti
-fúr
großes Orchester und Kammerchor (1996-1997)
oder Konzert filr Akkordeon und Ensemble (2001), stellen eine Suite mit einheitlichem Inhalt
dar und trotzdem enthalten sie Ausschnitte mit unverwechselbaren Elementen, die ständig neu
überraschend wirken und das Eigentümliche als Bild und Konstruktion hervorheben, ihr Reiz
und Glaubwürdigkeit im Gesamteindrack verleihen und gleichzeitig auch durch die Echtheit
der bildenden Elemente, die Originalität der gefundenen Lösungen und die Eigenständigkeit der
Töne überzeugen. ,
Versuchte man, die Merlanale der gegenwärtigen Kompositionstechnik von
Aurel
Stroe
auszumachen, die letztendlich Erfüllungen und Gewissheit einer Suche mehrerer Jahrzehnte
kreativer Tätigkeit darstellen, so würde man in jedem Werk Formen und
Ausdracksmöglichkeiten erkennen, die gleichzeitig Teile einer viel umfangreicheren stilistis¬
chen Verhaltensweise (einige Werke sind zusammengeführt worden
m
em Triptychon
z.B. das
Konzert
får
Saxophon,
Ciaccona con alcune licenze
und
Mandala
mü einer
Polyphonie
von
2 Dies., in:
„Muzica",
Nr. 1/1987, S. 41.
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seine gesamte Karriere mit lyrisch-dramatischen Werken festgelegt, beginnend mit der szenis¬
chen Musik Ödipus in Kolonos (1963)(für eine Aufführung beim Nottara-Theater) und bis zur
Trilogie
der geschlossenen Stadt (1973-1987) nach Aischylos rnidDas Weltkonzil (1986-1987)
nach Soloviov in einer vielfaltigen Ausdrucksreihe und musikal-dramatischen Architektur.
Vielleicht mehr als die instrumentalen heben die lyrischen Musikwerke getreu zwei Richtungen
hervor, die in der Komposition von
Aurel
Stroe in Erscheinung treten und gleichzeitig auch die
Ebenen einer unaufhörlichen Suche darstellen: ein archaischer, melodischer Hintergrund, der
einzigartig zu sein scheint (der Autor verlässt sich darauf), der aber eine verschiedenartige
Verbreitung hat und andererseits als ein Studium mit logisch-formellen Fundamenten der
musikalischen Sprache in den grundlegenden Systemen des musikalischen Denkens zu verste¬
hen ist. Diese beiden Richtungen entdeckt man in den meisterhaften Werken nach Aischylos,
sie erscheinen aber auch in anderen lyrischen Fragmenten. Dadurch rundet sich das Bildnis der
Kammeroper und ihre Persönlichkeit in der Schöpfung durch den Autor ab.
Die Partitur der Orestien {Die
Trilogie
der geschlossenen Stadt) hebt eine persönliche
Kommunikation des Musikers mit den Schriften des Aischylos hervor, jedoch nicht als Lektüre
eines berühmten Textes, der durch Musik dargestellt wird, sondern als ständige Frage, als Suche
im
Subtext
des klassischen Stückes, in dem keine Frage angeboten wird, sondern wo man
immer wieder eine Antwort von Seiten der Zeitgenossen erwartet. Die Begründung des
Komponisten lautet3:
„Beurteilt man die starke und lang anhaltende Resonanz, die der Trojanische Krieg im
Gewissen der griechisch-römischen Antike hatte, so kann man behaupten,
dass
er die Ausmaße
einer geologischen Katastrophe ausmachte, die den Schwerpunkt der Welt veränderte und einen
endgültigen Bruch zwischen den Zeiten davor und denjenigen danach erzeugt hat."4
Unendliche menschliche Leiden, Sklaverei, Grausamkeiten, eine Reihe von Morden und
weitere Anomalien - zum Beispiel der Vatermord - haben die tief greifenden Veränderungen
begleitet, die erzeugt wurden durch das endgültige Zerfallen einer archaischen Zivilisation.
Im Lager der Sieger werden die ehrgeizigen und grausamen Tyrannen von anderen noch
niederträchtigeren und hinterlistigeren Tyrannen hingerichtet, die skrupellos unterdrücken,
Angst haben und gleichzeitig zynisch wirken. Es sieht so aus, als würde über die ganze Welt ein
Geist der Zerstörung schweben: am Anfang wird sie durch einen schnellen Rhythmus
dargestellt, anschließend verlangsamt er sich. Das nicht rückgängig zu machende, Unheilbare
erscheint nun mehr denn je als Hauptbedingung des neu Entstehenden. Eine Art tiefer Schauer
durchfährt das Unverzeihliche dieser Zersetzung, die uns heutzutage wieder vor Augen führt
wie in einem geschlossenen System - wie riesig dieses auch sein mag - das zweite Prinzip der
Thermodynamik funktioniert.5
Dieser Gesichtspunkt hat mich womöglich am stärksten an die drei Stücke gebunden, die
gemeinsam die Orestie des Aischylos bilden, der zeitgenössische Dramatiker - nicht nur am
Leben sondern auch gedanklich - mit den so genannten „tragischen Philosophen" (Nietzsche)
der Vorsokratiker, die in vielen Hinsichten unsere Betrachtungsmöglichkeit vorausgesehen
3 In:
„Secolul
XX",
Nr. 8/1983, „Fafa
ascunsă
a
Choeforelor" (Das versteckte Gesicht der
Choëforen
-
Anm. d.
Übers.),
S.
23.
4 Wie man sehen wird, spielt der Gedanke des Bruches eine Hauptrolle in der theoretischen Auffassung des Werkens -
Anm.
d. Aut.
5 Es handelt sich um die Entropie - „Maß für den Ordnungszustand thermodynamischer Systeme bzw. für die
Irreversibilität der in ihnen ablaufenden thermodynamischen Prozesse und eine dabei erfolgende Energieentwertung"
(Brockhaus-Enzyklopädie, 20. Überarb, und aktualisierte Aufl., F.A.Brockhaus GmbH, Leipzig/Mannheim, 1996, Bd. 6,
S. 430)
-Anm.
d. Aut.
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haben. Außerdem
muss
hervorgehoben werden,
dass
bei Aischylos der Ausweg aus dem unun¬
terbrochenen Zustand des Zusammenbruches erst durch die Eröffiiung zu einer anderen Welt
ermöglicht wird, hier dargestellt durch Athen, die erste uns bekannte Form der Demokratie, wo
eine so verschiedenartige Mentalität vorherrschte im Gegensatz zur primitiven Denkweise von
Argos,
der Handlungsort der ersten beiden Stücke der
Trilogie:
Agamemnon und Die
Choëphoren.
Das Werk6 von
Aurel
Stroe ist somit eine Meditation zur Thematik der geschlossenen
Städte, die innerlich verfallen und nur durch das Durchsickern einer Nachricht von außen kann
sich ihr ordnungsgemäßes Wertesystem heranbilden. Es handelt sich gleichzeitig um eine per¬
sönliche Interpretation des antiken Textes, wobei der Autor sowohl erkennbare als auch ver¬
steckte Dimensionen hervorhebt, die durch eine gegenwärtige Perspektive bemerkbar sind. Die
Musik spielt eine wesentliche Rolle in der Verstärkung von Charaktereigenschaften und vor
allem in der Betonung des Gleichgewichtes zwischen Moderne und Tradition, zwischen statisch
und fortschreitend, Macht und Unterwerfimg, ein immer unsicheres Gleichgewicht deren
Bewegung den Sinn dieser Tragödie ausmacht. Durch die Rolle und die Funktion des Lautes
dieses Stückes werden die Grenzen dieser Musikform überschritten und die Verschmelzung des
Lyrischen mit dem Dramatischen erzeugt neue Ausdrucksmöglichkeiten und verschiebt gle¬
ichzeitig den Schwerpunkt von einer Struktur zur anderen. Auf diese Art deckt man in der
gesamten
Trilogie
eine breite Fläche der Schauspielhandlung.
Die konzeptionelle Einheit, die Genauigkeit mit der
Aurel
Stroe das Ausweiten der
Kommunikationsmöglichkeiten auf allen Ebenen zwischen den verschiedenen begrenzten
Wirklichkeiten (geschichtlich, geographisch, kulturell, gefühlsmäßig) bisher verfolgt hat und
auch weiterhin verfolgt, ist ein kennzeichnender Wesenszug seiner Darstellung als Komponist.
Er versucht die Kontaktpunkte zu vervielfältigen und Brücken festzulegen zwischen
ursprünglich sehr verschiedenen Lautzonen, die nicht unverträglich, sondern unermesslich sind.
Das breit angelegte Verhältnis der Musik mit dem Dasein des Menschen im allgemeinen
befindet sich unter einer ständigen Veränderung der ständigen Schichten unseres Bewusstseins
und Unterbewusstseins.
(Am dem Rumänischen von Raäu-Mihai Alexe)
6 Die
Trilogie
der geschlossenen Stadt, geschrieben zwischen 1973 - Berlin und 1988 - Mannheim.
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