Die Charedim als Herausforderung für den jüdischen Staat: der Kulturkampf um die Identität Israels
In Israel wogt ein Kulturkampf: um die Identität des Staates, seine Leitnormen, das Verhältnis von Religion und Staat und generell um die Frage, was Jüdischsein im "Staat der Juden" bedeuten soll. Gestritten wird zwischen Ultraorthodoxen bzw. Charedim und der übrigen israelischen Bevölkeru...
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Veröffentlicht: |
Berlin
SWP
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2020, 21 (Oktober 2020) |
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Zusammenfassung: | In Israel wogt ein Kulturkampf: um die Identität des Staates, seine Leitnormen, das Verhältnis von Religion und Staat und generell um die Frage, was Jüdischsein im "Staat der Juden" bedeuten soll. Gestritten wird zwischen Ultraorthodoxen bzw. Charedim und der übrigen israelischen Bevölkerung, wobei sich der Anteil der Ersteren daran seit 1980 von vier auf zwölf Prozent verdreifacht hat und bis 2040 auf über 20 Prozent ansteigen dürfte. Das hat Folgen für die Debatte. Die Weltanschauung der Charedim steht jener der Mehrheitsbevölkerung häufig diametral entgegen. Sie akzeptiert als Grundlagen jüdischen Lebens und jüdischer Identität nur die Thora und die religiösen Gesetze (Halacha), ist ihrem Wesen nach antidemokratisch, setzt auf hierarchische Gesellschaftsstrukturen mit Rabbinern an der Spitze und ist weitgehend azionistisch. Dennoch sind die Charedim auf den Staat und seine Institutionen angewiesen, wollen sie ihre Lebenswelt bewahren. Ihre (wachsende) "Gesellschaft der Lernenden" mit vom Wehrdienst befreiten und auf Erwerbsarbeit verzichtenden Thoraschülern muss finanziert, das Bildungssystem als zentrale Säule der Ultraorthodoxie vor Eingriffen von außen geschützt werden. Das lässt sich nur über Beteiligung am demokratischen Prozess erreichen. Die charedischen Parteien bewegen sich daher in einem Spannungsfeld aus Rückzug und Einflussnahme: Sie versuchen - neben dem Milieuschutz - einerseits, als "Verteidiger des jüdischen Charakters des Staates" Tendenzen entgegenzuwirken, die ihrer Vorstellung des Judentums entgegenlaufen, und andererseits, religionsrechtlichen Prinzipien mehr Geltung in Staat und Gesellschaft zu verschaffen. Dieser Gestaltungswille ist neu. Die Charedim verändern Staat und Gesellschaft und werden dadurch selbst verändert. Die innergemeinschaftlichen Antworten darauf reichen von Plädoyers für Isolation über den Wunsch nach Integration in den Staat bis hin zu Forderungen nach dessen Übernahme. Für die internationalen Partner Israels wird der zunehmende Einfluss der Charedim für größeren Verhandlungsbedarf sorgen, insbesondere wenn ein Anliegen liberale und emanzipatorische Werte betrifft. |
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