Lornety i kapota: studia o Mickiewiczu
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1. Verfasser: | |
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Format: | Buch |
Sprache: | Polish |
Veröffentlicht: |
Opole
Uniw. Opolski, Inst. Filologii Polskiej
2006
|
Schlagworte: | |
Online-Zugang: | Inhaltsverzeichnis Abstract Inhaltsverzeichnis |
Beschreibung: | 307 S. |
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Internformat
MARC
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adam_text | XVII. Frühneuzeitliche Stammbücher als Mittel
individueller Selbstdarstellung
(Zusammenfas
sung)
Frühneuzeitliche Stammbücher, auch als Alba amicorum bezeichnet,
sind ein sehr interessanter Quellentypus, der von Anfang an die Aufmerk¬
samkeit der Zeitgenossen fand und auf Grund seines Charakters sehr früh
das Interesse von Sammlern und mit der Zeit auch von Historikern erregte.
Davon zeugen zum einen die umfangreichen öffentlichen Sammlungen ver¬
schiedener europäischer und außereuropäischer Institutionen, die bereits vor
Jahrhunderten zusammengetragen wurden und bis heute um Neuzugänge
ergänzt werden. Zum anderen ist auf die vielen, an Zahl immer noch zu¬
nehmenden Arbeiten wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Aus¬
richtung zu verweisen, die diese Handschriften unter verschiedensten Ge¬
sichtspunkten analysieren und sich zudem bemühen, sie so vielseitig und
vielfältig wie möglich einem breiten Publikum zugänglich zu machen, was
häufig mit Hilfe moderner Methoden und Verfahren geschieht. Im Lauf der
Jahre erhielten die Stammbücher verschiedene Bezeichnungen und nahmen
verschiedene Formen an. Auch wenn ihre Einteilung und die Abgrenzung
zumindest der wichtigsten Typen wegen ihres variablen Charakters nicht
immer leicht ist, sollte doch versucht werden, eine solche Typologisierung
vorzunehmen und die Stammbücher wenigstens nach den Besitzern und
deren Schicksalen beziehungsweise nach der äußeren Form einzuteilen.
Stammbücher sind das Ergebnis einer rasant verlaufenden Entwicklung
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die bedeutende Veränderungen in
vielen Bereichen des damaligen Lebens mit sich brachte: in erster Linie zu
nennen ist die Entstehung und Ausdifferenzierung des Protestantismus und
dessen Veränderung von einer Verfolgungen ausgesetzten Lehre zu einer
legitimen religiösen Richtung, die sich eine erhebliche Beliebtheit sowie die
Unterstützung breiter Schichten erwarb. Damit in engem Zusammenhang
steht auch die allmähliche Veränderung der Bildungsansprüche, die nicht
nur an das Bürgertum, sondern mit der Zeit auch an die Angehörigen des
Adels gestellt wurden. Eine Folge dieser Ansprüche war einerseits die Bei¬
behaltung älterer Formen der akademischen peregrinatio, andererseits das
Auftreten einer neuen Erscheinung: der adeligen Kavalierstour, die für ihre
Teilnehmer einen unschätzbaren Gewinn in allen Bereichen ihres persönli-
488 ~ ~~
chen
und öffentlichen Lebens bedeutete. Der protestantischen Lehre und
ihrer Attraktivität, beziehungsweise der Anziehungskraft ihrer führenden
Protagonisten sowie der gegenseitigen Solidarität ihrer Vertreter gebührt
wohl das Verdienst, an der Wiege der Stammbücher gestanden zu haben.
Aber ein anderes Phänomen der Zeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts,
nämlich die Kavalierstouren und Gelehrtenreisen der folgenden Jahrzehnte,
trug zu der erheblichen Verbreitung der Stammbücher bei. Diese erfasste
das gesamte gesellschaftliche Spektrum unabhängig von der sozialen Stel¬
lung der Stammbuchbesitzer und das ganze damalige Europa einschließlich
der Britischen Inseln sowie der angrenzenden Bereiche Kleinasiens - auch
wenn man diese
geografische
Spannweite zumeist nur für das Schreiben
von Einträgen nachweisen kann und nicht für das eigentliche Begründen
und Führen der Alba amicorum. Auf den Seiten der Stammbücher trafen
Vertreter führender aristokratischer Familien aus unterschiedlichen Teilen
des Reiches mit weniger bedeutenden Adeligen, Vertretern des Bürgertums,
verschiedenen Gelehrten sowie „unbedeutenden Personen zusammen; junge
Leute aus Mittel- und Osteuropa trafen auf Gleichaltrige aus dem Westen.
Die Entstehung der Stammbücher ist bisher nicht vollkommen geklärt.
Im Gegensatz zu früheren Theorien, die eine Verbindungslinie zu ritterli¬
chen Turnieren und Festen zogen, wird heute mehr oder weniger allgemein
die „Wittenberger Theorie akzeptiert, wonach die ersten Stammbücher in
den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts in Wittenberg im Umfeld der
dortigen Universität auftauchten. Dort fanden nämlich gleich mehrere be¬
deutende Zeitumstände zusammen, vor allem die reformatorische Theolo¬
gie und der Humanismus, verkörpert durch die führenden Persönlichkeiten
der Reformation, aber auch die reiche Entwicklung der Buch- und der
Drackkultur, die eng mit der Verbreitung und Verteidigung der neuen Lehre
zusammenhing. Die ersten Stammbücher (genauer gesagt Alba amicorum)
entstanden, weil sich die Studenten ein Andenken an ihre Lehrer bewahren
wollten, vor allem an Martin Luther und - besonders nach Luthers Tod - an
Philipp Melanchthon. Daher baten sie Luther und Melanchthon um einen
Eintrag in die Bücher, die ihnen als Studenten zur Verfügung standen: be¬
vorzugt wurden eigene Werke der Reformatoren, aber auch andere zum
Studium genutzte Bücher wie Bibel, Katechismus oder Gesangbuch. Die
wichtigen und hochgeschätzten Einträge der Reformatoren wurden später
um die Unterschriften weiterer Professoren und Kommilitonen ergänzt. Um
einen Eintrag gebeten wurden auch andere, in der Regel bedeutende oder
bekannte Personen, mit denen die Eigentümer des Stammbuchs in Kontakt
kamen, und zwar nicht nur in Wittenberg, sondern auch an anderen Orten,
die von ihnen später besucht wurden, oder im heimatlichen Umfeld, in das
sie nach Ende ihrer Studien zurückkehrten. Die Bedeutung, die den Einträ¬
gen der „Väter der Reformation beigemessen wurde, belegt sowohl das In¬
teresse an dieser Lehre als auch Luthers und Melanchthons Anziehungs¬
kraft und ihre Bedeutung für die Studenten (und andere Personen): zu¬
nächst an der „Wiege der Reformation , dann aber auch an anderen Orten.
Die Unterschriften hatten somit nicht nur die Bedeutung einer „Reliquie ,
sondern dienten mit der Zeit auch als Empfehlung, indem sie ein Empfeh¬
lungsschreiben ersetzten.
Eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei der Entstehung und besonders
der Verbreitung der Alben spielten weitere bedeutende Tendenzen und
Einflüsse der Zeit, so vor allem der Aufschwung des Buchdrucks und die
damit zusammenhängende Entwicklung der frühneuzeitlichen
Emblematik.
Andererseits konnte auch an ähnliche ältere Formen oder sogar Vorläufer
angeknüpft werden, vor allem an Autographen-Sammlungen oder Gästebü¬
cher. Ein Schlüsselmoment bei der Entstehung und dem Gebrauch der
Stammbücher waren die Worte
amiciţia
und
memoria.
Im Falle der
amici¬
ţia
handelte es sich ursprünglich um die Freundschaft von Menschen, die
einer bestimmten Gemeinschaft angehörten: nicht nur der Gemeinschaft der
Studenten im berühmten Wittenberg, in der Nähe allgemein respektierter
Personen, sondern auch der Gemeinschaft der Gläubigen, die sich (be¬
sonders in der konkreten Situation nach Luthers Tod und bedroht von Sei¬
ten der katholischen Kirche und der weltlichen Macht) fast in der Diaspora
befanden. Hieraus lässt sich auch die Bezeichnung Album amicorum ablei¬
ten, obwohl in diesem Fall eher der Begriff „Solidarität verwendet werden
muss, also
Album sodalium, was ebenfalls gebräuchlich war. Das Wort
„Album war freilich nicht neu: es wurde nicht nur von den Anhängern der
Reformation, sondern auch von den Humanisten allgemein im Sinne von
„Verzeichnis oder „Register benutzt. Die Bitte um eine Aufnahme in das
Album amicorum war als gängige Formel in Briefen bereits verbreitet, be¬
vor sich der Gebrauch der Stammbücher durchsetzte. Sie ist beispielsweise
bereits aus einem Brief Martin Luthers an Johann Cuspinian aus dem Jahr
1521 bekannt („... suscipe ergo
me in tuorum album
... ) und sogar noch
aus einigen anderen, früheren Briefen. Gerade die Freundschaft
{amiciţia)
zwischen den verschiedensten, miteinander in Kontakt tretenden Personen,
—-
die sich als Mitglieder einer geistigen Gemeinschaft
{academia
oder
res
publica
luterana),
wahrnehmen konnten, spielte in den humanistischen
Kreisen allgemein eine bedeutende Rolle. Die Humanisten bekannten sich
darüber hinaus durch die Betonung der Freundschaft zum Vermächtnis
Francesco Petrarcas und dem mit ihm verbundenen Freundes- und Freund¬
schaftskult. Gerade Petrarca war der erste, der ganz bewusst auch kleine
Textsorten wie Briefe in die Pflege des Nachruhms einbezog und ihnen
Bedeutung beimaß, und auch
Erasmus
von Rotterdam sah in der Nennung
von Zeitgenossen in seinen Briefen und Werken einen Beitrag zu deren Un¬
sterblichkeit. Auch diese Ansichten hatten jedoch noch ältere Wurzeln:
zum einen hängen sie mit der mittelalterlichen Auffassung des Wortes „Al¬
bum in der Bedeutung von
Uber vitae,
„Buch des Lebens , auch
„Dipty¬
chům , Liber confraternitatis,
„Gebetsverbrüderungsbuch zusammen. Zum
anderen greifen sie weiter in die Antike zurück und stehen daher auch in
Verbindung mit deren Vermächtnis, denn der Begriff
„Diptychům
wurde
gerade zu jener Zeit im Zusammenhang mit einer besonderen Form des
Freundschaftskults verwendet, der damals gepflegt wurde. Die humanis¬
tischen Gelehrten können sich dieser Tatsache, d.h. der Anbindung an die
Antike, bewusst gewesen sein - und auch die Umstände ihrer Zeit, die oft
Unsicherheit und Kriegsgefahr, Hunger und Epidemien brachte, trugen
sicherlich dazu bei,
dass
sie selbst den Wert der Freundschaft schätzten.
Die Betonung der Freundschaft lässt sich auch in Flugschriften des 16.
Jahrhunderts verfolgen, wobei es nach dem Verständnis der Zeit möglich
war, jemanden seinen Freund zu nennen, ohne
dass
es zu einem persönli¬
chen Kontakt gekommen wäre. Und auch dies zeugt davon,
dass
der Freu¬
ndschaft großes Gewicht beigemessen wurde und
dass
sie einen großen
Gewinn bedeutete. Neben der Freundschaft kam auch dem Wort
memoria,
das ebenfalls oft einen Bestandteil der Einträge in den Alben bildete, hohe
Wichtigkeit zu, aber auch dieses Wort war nicht neu: es wurde bereits seit
dem Beginn des Mittelalters in der Bedeutung liturgischen Bestattungsge¬
denkens verwendet, das nicht nur die Verstorbenen, sondern auch die Le¬
benden einschloss. Grundlage des Gedenkens an einzelne Personen war da¬
bei die schriftliche Fixierung ihrer Namen in Verbrüderungsbüchern,
Libri
memoriales
oder Alba, die oft auch mit dem bereits erwähnten biblischen
Begriff als „Buch des Lebens bezeichnet wurden. Ziel dieser Einträge war
es, Unsterblichkeit und ewiges Leben zu erreichen, denn nach der Über¬
zeugung und dem Verständnis der Zeit konnte der Name durch den Eintrag
- ___ : —
in ein tatsächliches, irdisches Buch in das überirdische, himmlische Buch
(das biblische
Liber
vitae)
gelangen, und nur der, der in dieses Buch einge¬
tragen war, würde nach den Worten der Apokalypse ein Bewohner des
himmlischen Jerusalems werden können. Bereits Ende des 15. und stärker
noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts war dieses Gedenken säkularisiert
worden und hatte eine Bedeutungsverschiebung zum Gedenken der Nach¬
kommen erfahren. Dieses konnte durch eine schriftliche Fixierung sowohl
der eigenen Taten als auch der Taten der Vorfahren in den unterschiedlichs¬
ten Dokumenten erreicht werden, wobei gerade der schriftlichen Aufzeich¬
nung eine zentrale Rolle zukam. Gerade in jener Zeit lassen sich die An¬
fänge der adeligen „Geschlechterbücher beobachten, die sich bemühten,
den Ursprung des Geschlechts soweit wie möglich - d. h. bis zu seinen
mystischen Anfangen - zurückzuverfolgen, wobei auch Fälschungen in
Kauf genommen wurden. Ähnlich gingen nach dem Vorbild des Adels auch
die Patrizier- und Bürgerfamilien vor, die ihre eigenen „Familienbücher
anlegten. Diese Bücher wurden auch als „Stammbücher („Stammen-
bücher ) bezeichnet. Ein aus dem protestantischen Nürnberg stammendes
Buch dieser Art trägt beispielsweise die Titelinschrift ,J)er Fürer erbarn
Geschlecht, Stammen Freundschaft und altem Herkommen ; im „Ge¬
schlechterbuch der Nürnberger Familie Köler wird noch 1540 das mittel¬
alterlich definierte Ziel
memoria
angeführt: „ dadurch wir nichtt allein hie
vor der menschen gedechtnus wir
dig
eingeschrieben erfunden, sondern
auch vor
gott
in das buch des lebens . Das Interesse an den eigenen Vorfa¬
hren und der eigenen Herkunft führte allmählich zur Einrichtung der ersten
Wappen- oder, breiter gefasst, Adelsgalerien bis hin zu barocken Por¬
trätgalerien und „Ahnensälen . Neben diesen Familienerinnerungen
(me¬
moriae)
wurde jedoch gleichzeitig auch die Bedeutung der eigenen, indivi¬
duellen Erinnerung für die Rekonstruktion und Reflexion des eigenen Le¬
bens betont. Beide erwähnten Momente, d. h.
amiciţia
und
memoria,
die an
ein älteres Verständnis anknüpften, bewahrten während der ganzen Zeit der
Verwendung von Stammbüchern ihre Bedeutung, wenn auch in immer stär¬
ker formalisierter Form. Die beiden Gründe, sich in ein Stammbuch einzu¬
tragen, führt auch ein Zitat an, das als
„Judicium
de albis amicorum beze¬
ichnet und Melanchthon zugeschrieben wird:
„Duas
ob
causas
aliorum in-
scribimus
libris
rogati; primo, ut librorum
possessores
recordentur suisque
posteris indicent,
quibus in
lods
et
quo
tempore versati
sunt.
Secundo,
ut
certa habeant testimonia, quibuscum familiariter vixerint, et qui vera ami-
__ . .
cítia illisfuerint
conjuncţi.
Wenn also laut Melanchthon jemand um einen
Eintrag gebeten wurde, trug er sich aus zwei Gründen ein: zum einen, da¬
mit sich die Eigentümer der Bücher später erinnern und ihren Nachfahren
Nachricht geben konnten, wann sie sich wo aufgehalten hatten; zum ande¬
ren, um zuverlässig belegen zu können, mit wem sie Kontakt hatten und
mit wem sie durch wirkliche Freundschaft verbunden waren. Es ist offen¬
sichtlich, auch wenn es in dem genannten Zitat nicht ausdrücklich gesagt
wird,
dass
dabei auch die Frage nach dem gesellschaftlichen Prestige eine
keineswegs unbedeutende Rolle spielte - gerade der Eintrag einer bedeu¬
tenden, bekannten und hochgestellten Person konnte die eigene Wichtigkeit
des Stammbuchbesitzers belegen. Melanchthons Zitat ist zwar in seinem
Werk nicht belegt, aber auch in einigen Stammbüchern findet sich ein
Verweis darauf. Und selbst wenn der Text nicht von Melanchthon stammen
sollte, so ist die Verbreitung dieses Gedankens bereits im 16. und später im
17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts interessant - und für den weiteren
Gebrauch der Stammbücher von Bedeutung.
Nicht zu unterschätzen war in den Anfängen der Alba amicorum die
Rolle des gedruckten Buches, da es der primäre Träger war, durch dessen
Vermittlung sich das Phänomen verbreitete. Neben den ursprünglich über¬
wiegenden theologischen Büchern fanden immer häufiger verschiedene
emblematische Titel Verwendung, vor allem die berühmten
Emblemata
des
italienischen Juristen Andrea Alciati, aber nach und nach auch illustrierte
Bücher, die die klassisch-antike oder biblische Literatur zugänglich mach¬
ten und unter denen sich vor allem die Ausgaben von Ovids Metamorpho¬
sen und Äsops Fabeln besonderer Beliebtheit erfreuten. Viele dieser Titel
wurden speziell für die Verwendung als Stammbücher hergerichtet, und
zwar nicht nur durch das Einbinden leerer Blätter, sondern auch durch an¬
dere Veränderungen. Daneben wurden sehr früh Bücher herausgegeben, die
ausschließlich leere Seiten enthielten, nur mit gedruckten Schmuckbordü¬
ren versehen und gezielt zur Verwendung als Stammbücher bestimmt wa¬
ren. Das Erscheinen des ersten solchen Bandes Ende der fünfziger Jahre
des 16. Jahrhunderts belegte die erhebliche Verbreitung dieses Phänomens
schon zu jener Zeit und lieferte zugleich eine Anregung zu weiterer Ver¬
wendung. Der Höhepunkt der Entwicklung war in dieser Richtung die He¬
rausgabe gedruckter Bücher mit verschiedenen Sentenzen und vor allem
Abbildungen, einschließlich leerer Wappenschablonen, die dazu gedacht
waren, fertig gemalt und in Stammbüchern verwendet zu werden. Im Un-
tertitel
des ersten dieser Bücher, der
Flores Hesperidum
aus dem Jahr 1573,
erscheint zum ersten Mal ausdrücklich der Begriff „Stammbuch , der dann
in der Folgezeit vor allem im deutschsprachigen Raum ausschließlich ver¬
wendet wurde. Ähnliche vorgedrackte Stammbücher erschienen auch in
den folgenden Jahren und gipfelten in den Werken
Emblemata
nobilitati
(1592) und
Emblemata saecularia
(1596) des Theodor de
Bry.
Als Stamm¬
bücher wurden auch weitere emblematische und illustrierte Bücher
verwendet, auch wenn das Interesse an gedruckten Büchern bei den Stamm¬
buchbesitzern allmählich abnahm.
Waren in der Anfangszeit der Stammbücher die bereits erwähnten Mo¬
tive entscheidend (das Bemühen, sich das Andenken an verschiedene Per¬
sonen zu bewahren; der Wunsch, sich der gegenseitigen Freundschaft zu
versichern), spielten in späterer Zeit auch die Inspiration durch bereits exis¬
tierende Stammbücher und der Wunsch diese nachzuahmen eine nicht un¬
bedeutende Rolle. Zudem ist der Modecharakter dieser Erscheinung zu
berücksichtigen, wodurch die primären Gründe für die Entstehung von
Stammbüchern in den Hintergrund gedrängt werden konnten. Die ursprüng¬
lichen Beweggründe, ein Stammbuch anzulegen und zu führen, waren rein
individuell beziehungsweise persönlich gewesen und hatten sich aus den
eigenen inneren Bedürfnissen des Besitzers ergeben. Jetzt traten äußere
Anregungen hinzu, die sich mit dem inneren Moment zu dem Bedürfnis der
Selbstdarstellung nach außen verbanden beziehungsweise diese geradezu
forderten. Gelegenheit dazu lieferte das Prinzip oder besser gesagt der Ent¬
stehungsmechanismus der Stammbücher: diese wurden verschiedenen Per¬
sonen vorgelegt, die um einen Eintrag gebeten wurden und denen die Mög¬
lichkeit gegeben wurde, sich gleichzeitig mit der ganzen Handschrift und
mit den Einträgen bereits früher angesprochener Personen bekannt zu ma¬
chen. Die Angesprochenen konnten sich daher sowohl durch das Stamm¬
buch als Ganzes als auch durch einzelne Einträge eine Meinung über den
Eigentümer des jeweiligen Buches bilden. Aus diesem Grund war es wün¬
schenswert, Unterschriften hochgeschätzter Persönlichkeiten zu bekom¬
men, die das Prestige des Stammbuchs und dadurch auch seines Eigentümers
erhöhten, und zugleich zu erreichen,
dass
das vorgelegte Buch bereits auf
den ersten Blick interessierte (und repräsentierte). Gerade wegen dieses As¬
pekts waren die Stammbücher bereits auf Grund ihrer Form ein unver¬
gleichlich attraktiveres schriftliches Produkt als andere zeitgenössische
Alternativen literarischen Charakters, die eine Person betafen und von
— . . .
einer Person geschaffen waren: gemeint sind die „Ego-Dokumente , also
Tagebücher oder Autobiografien, Briefwechsel, aber auch
typologisch
ana¬
loge Sammlungen von Autographen beziehungsweise verschiedenen Sen¬
tenzen. Während Tagebücher und in der Regel auch Autobiografien als rein
individuelle und geschlossene Dokumente verstanden werden können und
im Gegensatz dazu Sammlungen von Autographen oder Sentenzen, die von
ihren jeweiligen Eigentümern zusammengestellt worden waren, eine engere
Bindung an die betreffende Person vermissen Keßen (abgesehen von der
durch sie selbst vorgenommenen Auswahl), ermöglichte es der Briefwech¬
sel, eigene Ansichten auch gegenüber anderen Personen auszudrücken und
mit diesen in engen Kontakt zu treten. Im Gegensatz zu den Stamm¬
büchern, die ebenfalls tendenziell offen waren und Außenwirkung besaßen,
konnten Briefe jedoch nur eine begrenzte Zahl von Menschen verbinden -
gewöhnlich nur die beiden Korrespondenten. Das Stammbuch als geme¬
insames Werk mehrerer Personen ermöglichte es ebenso wie der Brief,
durch Mitteilung bestimmter (wenn auch in ihrem Umfang begrenzter)
Gedanken Kontakte zu knüpfen, wobei allerdings eine sehr viel größere
Zahl von Personen involviert war. Zugleich bot sich die Möglichkeit, die
eigene Person - und zwar sowohl die des Eintragenden (in seinem jeweili¬
gen Eintrag) als auch die des Eigentümers (im Stammbuch als Ganzem) -
gegenüber einem größeren Personenkreis zu stilisieren und zu präsentieren.
Außerdem waren die Stammbücher als Mittel der Selbstdarstellung ihrer
Eigentümer viel weniger kostspielig als die potenziellen Alternativen (z. B.
architektonische Objekte, aber auch Grabmäler u. ä.) und zudem viel indi¬
vidueller, dauerhafter und mehr
„sophisticated
als andere distinktive Zei¬
chen des Individuums, wie z. B. Kleidung.
Größere Möglichkeiten der Selbstdarstellung hatte, wer aktiv wurde und
ein Stammbuch anlegte, wobei eine ganze Palette unterschiedlicher Mittel
zur Verfügung stand. Der Eigentümer des Stammbuchs konnte als Grund¬
lage ein gedrucktes Buch wählen, wobei zu diesem Zweck hauptsächlich
philosophische oder theologische Werke geeignet waren. Besonders attrak¬
tiv waren auch illustrierte Bücher, seien es Titel aus der klassischen Litera¬
tur, eines der zahlreichen Bücher mit Emblemen oder vorgedruckte
Stammbücher mit leeren Schablonen für Wappen. Einige Wissenschaftler
sehen die Wahl emblematischer Bücher als Ausdruck eines Bedürfnisses,
sich dem adeligen Umfeld beziehungsweise den Gelehrtenkreisen anzupas¬
sen, denn gerade diesen Werken sei eine solche integrierende Funktion
- - —
zuzusprechen. Dieser These steht allerdings die große Zahl jener Stamm¬
buchbesitzer entgegen, die diese Bücher gerade nicht gewählt haben - und
von ihnen kann sicherlich nicht behauptet werden, sie seien an einem sol¬
chen Integrationsprozess nicht interessiert gewesen. Bereits Ende des 16.
und vor allem zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren jene Stammbücher,
die aus schlichten, unbeschriebenen (bzw. unbedruckten) Blättern bestan¬
den, deutlich in der Mehrzahl. Neben den niedrigeren Anschaffungskosten
spielte ein weiterer Vorteil eine Rolle, der den aus leeren Blättern gebunde¬
nen Büchern eigen war: es gab nämlich viel mehr Raum für Einträge, und
zugleich bestand die Möglichkeit, sich eine ganz eigene, individuelle
Sammlung von Einträgen zu schaffen, die ohne Einfluss irgendeines Mus¬
ters oder einer Vorlage entstand und so ein viel persönlicheres Zeugnis über
ihren Eigentümer ablegte. Ein Druck, der in großer Zahl herausgegeben
wurde, dadurch schematisiert und außerdem vermutlich relativ leicht und
recht preiswert zugänglich war, musste nicht unbedingt attraktiv wirken,
sondern konnte durch seine Einförmigkeit auch abstoßen - und so wurde
ein Band mit gänzlich leeren Seiten bevorzugt. Damit ist zugleich die sche¬
inbar paradoxe Tatsache erklärt,
dass
die ersten vorgedruckten Stammbü¬
cher keine sonderlich markante Verbreitung aufwiesen. Die erwähnten
Blankobände belegen eine weitere Vertiefung der Individualität gerade
durch die Stammbücher selbst.
Die Repräsentativität der Stammbücher konnte auch durch eine andere
interessante Handschrift erreicht werden, die als Grundlage eines neuen
Albums gewählt wurde, oder man benutzte ein älteres Stammbuch, das
z. B. noch von einem anderen Familienmitglied stammte - dieses konnte
dann zusätzlich als Beleg einer familiären Kontinuität dienen. Eine deutlich
dekorative, aber auch repräsentative Rolle spielten die Bindung, der Schnitt
oder der gewählte Schreibstoff. Gelegenheit zur direkten persönlichen Prä¬
sentation bot jedoch vor allem die Titelseite, die grundlegende Angaben
zum Stammbuch und seinem Eigentümer enthielt, die freilich durch weitere
Bild- oder Textbeiträge ergänzt werden konnten. Einen bedeutenden Platz
nahmen vor allem die Aufforderungen an die zukünftigen Beiträger ein. So
erlaubten es sich die Stammbuchbesitzer nicht selten, die Seiten der Ein¬
tragenden mit eigenen literarischen Versuchen oder Beiträgen zu schmüc¬
ken oder aber sie überließen dies geschätzten, literarisch begabten Personen
- und deren so ausgedrückte Freundschaft stärkte wiederum das Prestige
des Stammbuchbesitzers. Dieser besaß aber noch weitere interessante Mög-
4% —-
lichkeiten,
mit denen er die Gestalt seines Albums bestimmen und seiner
Sammlung den letzten Schliff verleihen konnte. Damit ließ sich eine gewis¬
se „Ohnmacht kompensieren, mit der er sonst als nur passiver Beobachter
das Füllen seines Stammbuchs mit fremden Einträgen beobachten musste.
Gedacht ist hier zum Beispiel an verschiedene Stiche, aber auch an beson¬
dere farbige, marmorierte, gesprenkelte oder silhouettierte Papiere, die
ursprünglich aus dem Orient stammten und so entweder eigene Fernreisen
des Besitzers belegten oder zumindest Kontakte andeuteten, die solche
Papiere beschaffen konnten. Auch kleine, oft sehr kostbare Kunstwerke
wurden für die Stammbücher erworben, und großer Beliebtheit erfreuten
sich bestimmte Gedenkeinträge, die eigentlich nicht dem Stammbuchbesit¬
zer, sondern anderen Personen gewidmet waren. Dieser Typus, in Form von
Einkleben ausgeschnittener Autographen der „Väter der Reformation oder
anderer bedeutender Personen, tauchte bereits in den Anfangen des
Stammbuchwesens auf, und auch später sollte das Einfügen sogar ganzer
Einträge in das eigene Stammbuch dabei behilflich sein, dessen Qualität
und damit auch das eigene Prestige zu erhöhen: durch einen berühmten
Namen, ein anmutig und interessant oder einfach nur farbig ausgeführtes
Wappen oder Bild, durch eine unbekannte Unterschrift von einem sonst
unzugänglichen Ort oder einfach durch eine enorme Vielzahl von Einträgen.
Während jeder Eigentümer eines Stammbuchs die äußere Form - von
der Bindung und den Maßen bis zur Gestaltung der Titelseite - nach sei¬
nem Geschmack und seinen Vorstellungen bestimmen konnte, hatte er auf
den eigentlichen Inhalt, abgesehen von den erwähnten einführenden Seiten
und besonderen Beilagen, keinen unmittelbaren Einfluss mehr. Die Form
der einzelnen Einträge konnte er nur mit den schon erwähnten Anweisun¬
gen am Anfang des Stammbuchs zu bestimmen versuchen, ihre Zusammen¬
setzung konnte er noch durch die Wahl der Personen beeinflussen, die sich
eintragen sollten, und dem Ergebnis seiner Bemühungen entsprach schlie߬
lich die Zahl der Einträge, die sein Stammbuch enthielt. Das Spektrum
potenzieller Beiträger war sehr breit, aber wer sich letztlich verewigte,
wurde zu einem gewissen Grad durch das Umfeld bestimmt, in dem sich
der Stammbuchbesitzer bewegte. Außerdem spielte die Zugänglichkeit der
in Frage kommenden Personen eine Rolle. Am häufigsten vertreten waren
natürlich Einträge, die an Freundschaften und gemeinsame Erlebnisse erin¬
nerten, und von Personen vorgenommen wurden, die sich in einer ähnli¬
chen Lebenssituation befanden wie der Stammbuchbesitzer (Studium, aka-
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Щ
demische Wanderung). Der Eigentümer strebte jedoch danach, auch Ein¬
träge von solchen Personen 2x1 gewinnen, die er zwar persönlich kaum
näher kennen konnte, die jedoch auf einer exponierten Stufe der sozialen,
kirchlichen, politischen, administrativen oder universitären Hierarchie stan¬
den. Dabei trat zu den beiden grundlegenden, immer stärker formalisierten
Motiven des Stammbucheintrags - Freundschaft
(amiciţia)
und Andenken
oder Erinnerung
(memoria)
- ein weiteres, praktisches und pragmatisches
Motiv: das Streben nach einer möglichst gelungenen Selbstdarstellung.
Dabei halfen gerade die Einträge oder wenigstens Unterschriften bedeuten¬
der Persönlichkeiten, wobei als absoluter, kaum erreichbarer Höhepunkt
der Eintrag jener Personen galt, die an der Spitze der gesellschaftlichen
Hierarchie standen: der Herrscher. Einige, wenn auch nicht gerade zahlreiche
Einträge dieser Art belegen,
dass
es nicht vollkommen unmöglich war, eine
solche Unterschrift zu erlangen; allerdings konnte hier von tatsächlicher
Freundschaft natürlich nicht die Rede sein. Zugleich verweisen diese Fälle
erneut auf die bereits angeführte Überlegung,
dass
die Stammbücher zwar
prinzipiell persönlichen Zwecken dienten, indem sie die Erinnerung an
einzelne Personen und die Begegnung mit ihnen bewahrten. Anderseits
besaßen sie die eindeutig den Charakter einer Empfehlung, indem sie zur
Selbstdarstellung ihrer Eigentümer beitrugen und deren sozialer Legitimie¬
rung dienten. Bedürfnisse dieser Art ergaben sich zwangsläufig aus den
kultur-
und mentalitätsgeschichtlichen Bedingungen der Zeit; sie hingen
eng mit dem Alter und der sozialen Stellung der Stammbuchbesitzer zu¬
sammen, die sich ja erst bemühten, einen festen, respektierten Platz in der
Gesellschaft zu finden. Dieser Prozess war für einen Adeligen ebenso
schwierig wie für einen Angehörigen des Patriziats oder des Bürgertums.
Gerade im Rahmen der Integration in die bestehende Gesellschaft konnten
Stammbucheinträge hochgestellter Persönlichkeiten als Referenz dienen -
besonders wenn sie sich in den Stammbüchern von Personen befanden, die
sich bis jetzt kaum auf eine andere (z. B. familiäre) Autorität stützen konnten.
Die Anlage eines Stammbuchs konnte auch als eine besondere Form der
Sammlertätigkeit gelten. Enthalten waren oft verschiedene Illustrationen
und Miniaturen, die häufig vom Stammbuchbesitzer selbst in Auftrag gege¬
ben und bezahlt wurden. Eine besondere Rolle spielten auch die Wappen,
die oft die einzelnen Einträge zierten: die Ausmalung übernahm ein profes¬
sioneller Maler, wobei der Eintragende die Kosten übernahm. Die Stamm¬
bücher waren daher wegen der Beteiligung mehr oder weniger bedeutender
498
Maler und natürlich wegen der für die Ausgestaltung aufgewendeten finan¬
ziellen Mittel relativ wertvolle Objekte, auch wenn die Anhäufung von
Besitz sicherlich kein Entstehungsgrund war. Durch das Hinzufügen teurer
und interessanter Miniaturen von bedeutenden Malern stieg ihr Wert noch
weiter - und oft handelten die Stammbuchbesitzer hier ganz bewusst und in
Wertsteigerungsabsicht. Andere Eigentümer verzichteten dagegen ganz auf
die künstlerische Ausgestaltung, so
dass
ihr Stammbuch für sie weiterhin
nur einen rein persönlichen Erinnerungswert hatte.
Dass
die Alben für ihre Eigentümer nicht nur zur Zeit der aktiven Benu¬
tzung von Interesse waren, sondern
dass
sie gerade zum Zweck der Erinne¬
rung geschaffen wurden, wird durch verschiedene Bemerkungen über den
Tod belegt, die den einzelnen Einträgen hinzugefügt wurden. Damit ver¬
stärkte sich der Erinnerungscharakter gerade auch im Sinne des bereits
erwähnten „Buchs des Lebens deutlich. Außerdem ergänzten die Eigen¬
tümer in ihren Stammbüchern Beobachtungen und Ansichten zu den ein¬
zelnen Inskribenten oder detailliertere Erinnerungen an ihre Freunde. Zu¬
dem nutzten sie die Stammbücher für andere eigene Einträge unterschiedli¬
cher Art, seien es Gebete, Zitate oder ausführliche Beschreibungen der mo¬
mentanen psychischen Verfassung oder Situation. Solche Einträge waren
jedoch in der Regel bereits von intimem Charakter, d. h. sie besaßen keine
Ausrichtung nach außen, keine Außenwirkung·, sie standen weniger im
Dienst der Präsentation, sondern belegten die Reflexion des eigenen Le¬
bens. In dieser Form konnten Stammbücher von anderen Personen genutzt
und um weitere, mit dem ursprünglichen Stammbuch nicht mehr in Zusam¬
menhang stehende Einträge von allgemein historischem Wert oder Erirme-
rungscharakter ergänzt werden.
Während das Stammbuch als Ganzes zur Visitenkarte und zum Mittel
der Selbstdarstellung seines Besitzers wurde, besaß der einzelne Inskribent
dieses Möglichkeit wegen des beschränkten zur Verfügung stehenden
Raums nur in sehr viel begrenzterem Umfang. Seine Äußerungen konnte
der Eigentümer des Stammbuchs nur sehr begrenzt beeinflussen, im Wesen¬
tlichen nur durch die Aufforderungen und Anweisungen, die manchmal im
Vorwort standen, ansonsten blieb er gegenüber den Eintragenden „macht¬
los und „lieferte sich ihnen aus . Viele von ihnen wussten dies auszunut¬
zen, die meisten jedoch hielten sich mit der Zeit immer mehr an eine for-
malisierte Form der Einträge, die sich sowohl in der Gestaltung des Ein¬
trags auf der Seite, als auch im sehr formalen Wortlaut der einzelnen Wid¬
mungen oder weiterer Texte äußerte. Aus dem Ton der Widmungen lässt
sich somit nur selten und in Ausnahmefällen auf die tatsächliche Beziehung
zwischen den Eintragenden und den Eigentümern schließen, weil obligato¬
rische Superlative und Höflichkeitsformeln oder geschliffene lateinischen
Passagen eventuell vorhandene Emotionen versteckten. Dennoch stellte auch
die mehr oder weniger geschliffene Form dieser Einträge ein Mittel zur
Präsentation des intellektuellen und kulturellen Niveaus des Schreibers dar.
Dasselbe galt für die weiteren Teile des Eintrags wie Unterschrift und Da¬
tierung. In den Unterschriften weckt dennoch die oft verwendete Formel
manu
propia
Interesse, die überraschen mag, da man doch davon ausgehen
kann,
dass
die Fähigkeit zu schreiben in dem Personenkreis, der sich in die
Stammbücher eintrug, zu jener. Zeit bereits selbstverständlich war. Wichtig
ist in diesem Fall freilich die Betonung nicht nur der Authentizität der an¬
gefügten Unterschrift, sondern vor allem der Beteiligung des Schreibers
selbst, der so in seinem Eintrag persönlich anwesend ist, sowie der Veran¬
twortung, die er für seinen Eintrag übernimmt. In den erwähnten Fällen (aber
auch in anderen Dokumenten) behält die genannte Formel ohne Rücksicht
auf den Grad der Alphabetisierung auch in der Folgezeit ihre Bedeutung -
und in der Kurzform m. p. hinter dem Namen taucht sie bis in die heutige
Zeit auf. Gelegenheit zur Darstellung (bzw. Selbstdarstellung) des intellek¬
tuellen Niveaus des Inskribenten boten auch verschiedene „raffinierte und
scharfsinnige Arten der Datierung und der Notierung der Jahreszahl in
Form von
Chronogrammen
o. ä.
Die Datierung belegte auch das Beharren
auf dem Julianischen oder den Übergang zum Gregorianischen Kalender,
der nicht nur konfessionell und regional, sondern oft auch rein individuell
bedingt war, da er die Verbundenheit mit der Tradition betonen oder aber
ein Bekenntnis zur „neuen Zeit ablegen konnte. Im Zusammenhang mit
dem Julianischen Kalender war es
z. B.
in der langen Zeitspanne von der
Mitte des 16. Jahrhunderts - als die Stammbücher aufkamen - bis fast zum
Ende des 17. Jahrhunderts offensichtlich beliebt, nach dem römischen Ka¬
lender zu datieren.
Selbstdarstellerischen Charakter hatte auch die Verwendung von Devi¬
sen, die vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts große Verbrei¬
tung und Beliebtheit erlangten, ebenso wie die Auswahl verschiedener Zita¬
te, Sentenzen, Sprichwörter u. a., manchmal auch eigener Textbeiträge, auch
wenn diese Passagen einen deutlich formellen Charakter hatten. Selbst ein
Zitat kann nicht als Beleg dafür gelten,
dass
das entsprechende Werk tat¬
sächlich gelesen wurde, denn nicht selten wurden die Zitate aus anderen
Stammbüchern oder Einträgen übernommen, und außerdem wurden zu die-
— ——
sem
Zweck die verschiedensten Zitaten- und Sprichwörtersammlungen, die
so genannten Florilegia, verwendet. Dennoch lässt sich aus den Stamm¬
bucheinträgen zumindest die Beliebtheit einiger Titel ablesen, vor allem der
Bibel, verschiedener antiker Autoren, allen voran Cicero und
Seneca,
oder
grundlegender Rechtskompendien, wobei festgestellt werden kann,
dass
auch durch diese Sentenzen in den Stammbüchern ein Großteil der Rezep¬
tion des antiken und frühmittelalterlichen Vermächtnisses vermittelt wurde.
Außer der Auswahl des Zitats oder eines anderen, gegebenenfalls eige¬
nen Textes präsentierte sich ein Beiträger auch durch die Auswahl der
Sprache oder der Sprachen, die seine intellektuelle Reife und sprachliche
Gewandtheit belegen sollten, auch wenn von der Verwendung der einzelnen
Zitate keinesfalls auf eine tatsächliche Kenntnis der jeweiligen Sprache
geschlossen werden kann. Dennoch sind in den Stammbüchern neben dem
üblichen Latein und Deutsch auch andere europäische Sprachen sowie Grie¬
chisch und Hebräisch als weitere „heiligen Sprachen anzutreffen, manch¬
mal sogar verschiedene orientalische oder sonstige exotische Sprachen.
Einen spezifischen Aussagewert hatte auch die Reihenfolge der Einträge
in den Stammbüchern, die jedoch ganz beliebig war und ohne irgendeine
Hierarchisierung von statten ging. Die einzige allgemein respektierte Aus¬
nahme war die Platzierung von Einträgen höher gestellter Persönlichkeiten,
d. h. Angehöriger von Herzogs- und Fürstenfamilien, im Idealfall auch der
Herrscherfamilie, auf die vorderen so genannten „Respektblätter des
Stammbuchs. Mitunter fanden sich auf diesen Seiten auch Einträge von
Personen, die dem Eigentümer besonders nahe standen, vor allem von Fa¬
milienangehörigen. Die Auswahl einer Seite für einen Eintrag war anson¬
sten vielmehr Ausdruck der Beziehung zum Eigentümer des Stammbuchs,
aber auch zu den anderen Eintragenden. Aus den Stammbucheinträgen ist
ersichtlich,
dass
die einzelnen Inskribenten sowohl mit dem Eigentümer des
Stammbuchs, dem sie im Übrigen ihre Einträge widmeten, als auch mitei¬
nander in Interaktion traten. Schließlich konnten alle zueinander in der
gleichberechtigten, „horizontalen Beziehung Eintragender
vs.
Eintragen¬
der stehen, aber zugleich (ob nun theoretisch, potenziell oder tatsächlich, in
einem anderen Eintrag oder bei der Bitte um einen Eintrag ins eigene
Stammbuch) die „vertikale Beziehungsebene Eigentümer
vs.
Eintragender
(oder umgekehrt) betreten und so zwei Rollen spielen. Jedes Stammbuch
hatte somit eine integrierende Funktion sowohl im Rahmen einer bestimm¬
ten gesellschaftlichen Gruppe als auch gegenüber dem gesellschaftlichen
Spektrum.
Gerade diese Funktion der Stammbücher ist sehr viel interessan¬
ter als die Einträge selbst, die zwar (neben Angaben eher prosopografischer
Prägung) etwas über ihre Autoren und deren Gedankenwelt aussagen, dies
aber nur bis zu einem gewissen Grad: eben weil sie entweder sehr formal
oder für nicht Eingeweihte unverständlich sind. Auch sie weisen jedoch
einen integrierenden Charakter auf, denn verschiedene Textbeiträge bezie¬
hungsweise deren Inhalt (seien es Zitate, Widmungen oder andere Elemen¬
te) waren sicherlich nicht nur einer Gruppe von Beiträgern eigen. Sie kön¬
nen nicht als Ausdruck ausschließlich „adeliger oder „bürgerlicher Men¬
talität bezeichnet werden, sondern sie durchdrangen sich gegenseitig und
wiederholten sich in verschiedenen Varianten und in den unterschiedlichs¬
ten Alben und Einträgen, ungeachtet der geografischen Region oder sozia¬
len Einordnung der Schreiber. (Es ist sicher zu fragen, welche Rolle dabei
die Tatsache spielte,
dass
Stammbücher in der Regel von jungen Männern
geführt wurden, die noch nicht so stark auf die von Alter und Stellung be¬
dingte Hierarchie achteten. Berücksichtigt man aber,
dass
andernorts die
entsprechenden Grenzen auch von diesem Personenkreis respektiert wur¬
den, und
dass
im Gegensatz dazu eine ähnliche „Missachtung auch später
und in Stammbüchern von Personen deutlich wird, die ihr Stammbuch auch
in fortgeschrittenerem Alter fortführten, scheinen die Stammbücher in die¬
ser Hinsicht eine interessante Ausnahme darzustellen - und auch dadurch
zu einem bedeutenden kulturhistorischen Phänomen ihrer Zeit zu werden.)
Deutlich zeigte sich diese Tatsache zudem auf der Bildebene der Stamm¬
bücher, die neben zahlreichen Wappen vor allem aus Originalminiaturen
bestand. Da die Gestalt eines Wappens im Verlauf des 16. und in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts noch nicht zwangsläufig auf Dauer fixiert war,
bieten die Abbildungen in den Stammbüchern ein sehr interessantes und oft
unersetzliches Zeugnis ihrer Entwicklung, besonders da nicht immer andere
Quellen aus jener Zeit - noch dazu mit farbigen Abbildungen -zur Verfü¬
gung stehen. Darüber hinaus lassen sich im Zusammenhang mit ihrem Ge¬
brauch Fragen stellen, die mit der eigentlichen Verwendung von Wappen
und der Wahrnehmung ihrer Träger zusammenhängen, wobei es offensicht¬
lich Unterschiede gab zwischen Wappen des Adels, besonders des Hocha¬
dels, und des Bürgertums, für dessen Angehörige die Möglichkeit, ein
Wappen zu führen, ein Beleg für den sozialen Aufstieg war. Der deutlichen
Beliebtheit und Modegebundenheit der Wappen sowie der angedeuteten
integrativen Funktion der Stammbücher entspricht zugleich die Verbindung
502 ——_
ähnlicher Wappen mit Personen, die ansonsten keine Berechtigung zur
Führung eines tatsächlichen Wappens, also eines erblichen Zeichens hatten,
das zu jener Zeit bereits ausschließlich vom Herrscher verliehen wurde.
Einen ausdrücklich repräsentativen bzw. autorepräsentativen Charakter
hatten auch die verschiedenen Illustrationen, die in den Stammbüchern in
großer Zahl auftraten und anscheinend sowohl auf Kosten der Eintragenden
als auch der Eigentümer eingefügt wurden; letztere erhielten dadurch eine
weitere Möglichkeit, den repräsentativen Charakter ihres Albums zu erhö¬
hen. Die Themen dieser Beiträge (ebenso wie die einiger Textbeiträge)
waren sehr vielfaltig und hingen vom Typ des Stammbuchs ab. In der lan¬
gen Ära der Stammbücher durchdrangen sie sich gegenseitig, wobei es
nicht einfach ist, auch nur die grundlegenden Entwicklungstendenzen zu
bestimmen; sie wurden völlig frei übernommen (was aus dem Wesen der
Stammbücher selbst hervorging und mit ihrem Umlauf unter den unterschi¬
edlichsten Beiträgern zu tun hatte) und oft wiederholt. Die Illustrationen
sind so Ausdruck einer „kollektiven Mentalität von Personen, die gerade
durch das Phänomen der Stammbücher vernetzt waren, ob es sich nun um
Adelige, Geistliche, Militärs, Höflinge, Beamte, Diplomaten oder Maler-
(bzw. andere) Gesellen handelte. Dies bedeutet sicherlich nicht,
dass
sich
alle Eintragenden mit allen Beiträgen identifizieren konnten, aber es ist
doch ein Beweis dafür,
dass
die Stammbücher auch in diesem Sinn eine
integrative
Funktion hatten: sie verbanden auf ihren Seiten nicht nur ver¬
schiedene Beiträger unterschiedlicher Herkunft und aus unterschiedlichen
Schichten, sondern auch verschiedene Äußerungen (Äußerungen ihrer indi¬
viduellen Mentalität), selbst wenn sich deren inhaltliches Niveau (auch
innerhalb der selben sozialen Gruppe und trotz eventueller Bemühungen
der Stammbuchbesitzer, die Zusammensetzung und Gestalt ihrer Alben zu
beeinflussen) erheblich unterscheiden konnte. Damit sind die frühneuzeitli¬
chen Stammbücher eine einzigartige Quelle zur Erkenntnis sowohl dieser
individuellen Mentalitäten, wie sie in den einzelnen Einträgen zum Aus¬
druck kommen, als auch ihrer Interaktionen, die zumindest für eine gewisse
Zeit im Grunde unverändert blieben.
Ein deutliches Übergewicht haben auf der Textebene der Stammbücher
religiös ausgerichtete Einträge, aber auch unter den Illustrationen kommt
verschiedenen biblischen und allgemein religiösen Motiven ein bedeuten¬
der Platz zu. Eine weitere bedeutende Quelle für die Bildbeiträge waren
Themen aus der antiken Mythologie und der Geschichte des Altertums,
— ■ —
wobei ein deutlicher Einfluss der zeitgenössischen Schullektüre und vor
allem der illustrierten Klassikerausgaben zu beobachten war, die nicht nur
mit ihren Texten, sondern auch mit ihren Bildern zu Vorlagen für eine Rei¬
he von Stammbüchern wurden. Sehr häufig findet sich die Verwendung
allegorischer Motive, die sowohl aus zeitgenössischen künstlerischen Quel¬
len als auch aus verschiedenen Büchern mit Emblemen stammten. Häufige
Themen, die mit der gesamten Ausrichtung und Wirkung der Stammbücher
zusammenhingen, waren vor allem Darstellungen verschiedener Tugenden
und Untugenden. Ein besonderer Platz kam dem Symbol der Fortuna zu,
aber auch rein satirische Motive fehlten nicht. Spezifisch für Stammbücher
waren auch zahlreiche Liebes- und erotische Motive, die eine breite Palette
unterschiedlichster Ausdrucksmittel umfassten und sowohl mit durchlebten
Liebesbeziehungen als auch mit Wahrnehmung und Erwachen der eigenen
Sexualität zusammenhingen. Eine reiche Quelle sind Stammbücher auch
für unterschiedliche Genrebilder, militärische Motive und Illustrationen
von Reiseerlebnissen, die in der Regel serienmäßig auf Bestellung angefer¬
tigt wurden und häufig den Charakter heutiger Ansichtskarten hatten. Por¬
träts nahmen nur einen kleinen Raum unter den Miniaturen ein, stattdessen
finden sich manchmal Kuriositäten wie arithmetische oder geometrische
Aufgaben und vor allem Einträge von Personen ohne Hände, die ein inte¬
ressanter Beitrag zur Erkenntnis des Schicksals von Behinderten in der
Vergangenheit sind. Einen spezifischen Charakter hatten auch Einträge in
Notenform. Unter den Illustrationen und Textbeiträgen durfte zudem die
Reflexion des Todes nicht fehlen.
In der angedeuteten Form entwickelten sich die Stammbücher zu einem
ausgesprochen faszinierenden kulturhistorischen Phänomen, das die unter¬
schiedlichsten Aspekte des Lebens der frühneuzeitlichen Gesellschaft bet¬
rifft und belegt - freilich jenes Teils der Gesellschaft, der Zugang zu den
Dingen hatte, die am Beginn des Stammbuchwesens standen und in der
Folgezeit mit ihnen untrennbar verbunden waren: gemeint ist hier vor allem
die Bildung, die in der Frühen Neuzeit im Prinzip auf den männlichen Teil
der Gesellschaft beschränkt blieb. Dennoch tauchen nahezu seit den An¬
fängen dieses Phänomens scheinbar paradoxerweise Stammbücher von
Personen auf, die schon aufgrund ihres unterschiedlichen Zugangs zur Bil¬
dung oder der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht nicht zu dieser
Gruppe gehörten. Stammbücher von Frauen haben sich zwar in viel gerin¬
gerer, keineswegs aber in zu vernachlässigender Zahl erhalten, und durch
504 ~~ -—~-~~
ihre Form unterschieden sie sich oft deutlich von ihren männlichen Pen¬
dants. Trotz der Unterschiede und Unzulänglichkeiten, die weibliche
Stammbücher und vor allem Einträge von Frauen aufweisen, können sie
keinesfalls als Nachweis für ein niedrigeres Niveau der Eigentümerinnen
von Stammbüchern oder der Inskribentinnen dienen, sondern belegen allen¬
falls deren beschränkte beziehungsweise unzureichende Bildung, andere
Vorstellungen von ihrer Zukunft und Bestimmung und den damit verbun¬
denen Möglichkeiten. In gewisser Weise wird hier auch der Charakter des
Umfelds deutlich, in dem sich diese Frauen bewegten - und manchmal
scheint das Bestreben auf, sich den Männern in den Einträgen zumindest
teilweise anzunähern oder es ihnen gar gleich zu tun. In der Frühen Neuzeit
waren solche Handschriften nur im Adel zu verzeichnen, und Mädchen aus
bürgerlichen Familien wurden von dem Phänomen erst später erfasst, als es
bereits einen langsamen Veränderungsprozess durchlief.
Die angeführten Tatsachen bilden eine ausreichend begründete Grund¬
lage, um Stammbücher oder Alba amicorum für ein bedeutendes kulturhis¬
torisches Phänomen der Frühen Neuzeit halten zu dürfen, auch wenn sich
deren Existenz in fast unveränderter Form weit in die Neuzeit hinein erhal¬
ten hat. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert wurde allmählich ein anderer
Ansatz bei der Führung der Stammbücher deutlich, und zwar sowohl von
Seiten Einzelner als auch von Seiten gesellschaftlicher Gruppen. Für die
Angehörigen des Hochadels erfüllten die Stammbücher stets eher die Funk¬
tion einer Autographen-Sammlung und eines Gästebuchs (und zwar auch
für Frauen), und ihre Handschriften zeichnen sich weder durch reiche Text¬
oder Bildgestaltung noch durch auffallende Repräsentativität aus. Diese
Ziele konnten die hochadeligen Eigentümer solcher Alben nämlich durch
ganz andere, weitaus zweckdienlichere Medien erreichen. Für Angehörige
weniger bedeutender Adelsfamilien und vor allem für Bürger behielten die
Stammbücher jedoch ihre Bedeutung und wurden zu einem wichtigen Mit¬
tel der Selbstdarstellung. Dem entsprach auch ihre äußere Gestalt sowie das
Bemühen, sie nach außen hin so gut wie möglich auszustatten und mit einer
großen Zahl von Einträgen von bedeutenden Persönlichkeiten und mit
prächtigen Wappen, Miniaturen oder anderen Beilagen zu füllen. Das Be¬
dürfnis nach Selbstdarstellung war individuell und in einer Reihe von Fäl¬
len standen weiterhin die Gründe im Vordergrund, die in den Anfangen des
Stammbuchwesens prägend gewesen waren: das schlichte Bedürfnis, Per¬
sonen zu erfassen, zu denen freundschaftliche Bindungen bestanden, um
ein Andenken an sie zu bewahren. Diese Gründe besaßen vor allem in Ge-
—— SOS
lehrtenkreisen
Gültigkeit, wo sie jedoch bereits im Verlauf des 17. Jahrhun¬
derts an Bedeutung verloren und mit dem Beginn der Aufklärung fast völ¬
lig verschwanden. Während sie in den folgenden Jahren auch beim Adel
allmählich in den Hintergrund traten und dieser das Interesse an den
Stammbüchern verlor, galt für das Bürgertum - und zwar nicht nur auf den
deutschsprachigen Raum beschränkt - nahezu das Gegenteil. Stammbücher
gerieten hier nicht in Vergessenheit, sondern erlebten Ende des 18. und zu
Beginn des 19. Jahrhunderts eine neue Phase intensiver Verwendung. Na¬
türlich bestand hier ein Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Emanzi¬
pation des Bürgertums sowie mit der erwachenden deutsch-nationalen Be¬
wegung. Damals wurde das Stammbuch auch immer stärker von Frauen
frequentiert; bisher waren diese (mit Ausnahme der Alben einiger Adeliger)
nur auf die Rolle sporadischer Inskribentinnen im eng begrenzten famili¬
ären Umfeld beschränkt gewesen. Diesem neuen Phänomen ist eine große
Anzahl von Stammbüchern mit bereits modifiziertem Charakter zu verdan¬
ken, die spätestens ab den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts zur „Frauen¬
sache wurden und ab Ende des 19. Jahrhunderts als Poesiealben Eingang
in die Klassen der Mädchenschulen fanden: in dieser Form überlebten die
Stammbücher bis heute.
506
Obsah
Předmluva
5
I. Úvod
9
II.
Památníky v historiografii
19
III.
Cesty za vzděláním
67
IV.
Terminologické otázky
99
V. Typologie památníků
110
VI.
Vznik, původ a rozšíření památníků
120
VII.
Památníky a tištěné knihy
160
VIII.
Vedení památníků
-
prezentace držitele
183
IX.
Záznamy v památnících
—
prezentace zapisovatele
248
X.
Tematické rozložení záznamů v památnících
314
XI.
Ženské památníky
375
XII.
Epilog
-
vývoj štambuchů v
18. - 20.
století
391
XIII.
Závěr
407
XIV.
Seznam pramenů a literatury
419
XV.
Seznam obrazových příloh
480
XVI.
Seznam zkratek
486
560
XVII. Frühneuzeitliche Stammbücher als Mittel
individueller Selbstdarstellung (Zusammenfassung) 488
XVIII.
Abecední seznam využitých památníků
507
XIX.
Chronologický seznam využitých památníků
519
XX.
Grafické přílohy
530
XXI.
Rejstřík jmen a zeměpisných názvů
532
561
Spis tresci
WSTÇP 7
TRUDNE PRZYJAZNIE
Joachim Lelewel ...clajq porçkç pod odpowiedzialnosciq
os oh is tq i z majqtku mojego za Jmci Panern
Adamern Mickiewiczem... 17
Zygmimt Krasihski ...przyjdzie i jak upior bçdzie deptal
po trupie... 73
Cyprian Nonvid ... / rozmawialem z nun
do zachodu slohca... 111
PRZESZLOSC, WSPÔLCZESNOSC, EMIGRACJA
Niedokohczone historié, czyli Mickievvicz i Namszewicz
w roli dziejopisow 133
Jak w karczmie zajezdnej, czyli Mickiewicz
wobec Zachodu 151
W MATECZNIKU POETY
Natura i egzystencja (Stepy Akermahskie) 173
Litewski raj {Pan Tadeusz) 185
Na obraz i podobiehstwo (Broh rnnie przed sobq samym... ) 209
Byc w centrum wszechswiata (Widzenie) 227
Czlowiek z latarki (Ustqp z III cz. Dziadow) 243
Zmoskalony Zyd wieszczem narodu polskiego 261
ANEK.S
Adam Mickiewicz, Stepy Akermahskie 283
Adam Mickiewicz, Pan Tadeusz (fragm. IV ks.) 284
Stefan Witwicki, [opis puszczy, fragm.] 287
Adam Mickiewicz, Bron rnnie przed sobq samym... 289
Adam Mickiewicz, Widzenie 291
Tadeusz Rözewicz, Nasz Wieszcz Adam 294
NOTA BIBLIOGRAFICZA 297
INDEKS 299
|
adam_txt |
XVII. Frühneuzeitliche Stammbücher als Mittel
individueller Selbstdarstellung
(Zusammenfas
sung)
Frühneuzeitliche Stammbücher, auch als Alba amicorum bezeichnet,
sind ein sehr interessanter Quellentypus, der von Anfang an die Aufmerk¬
samkeit der Zeitgenossen fand und auf Grund seines Charakters sehr früh
das Interesse von Sammlern und mit der Zeit auch von Historikern erregte.
Davon zeugen zum einen die umfangreichen öffentlichen Sammlungen ver¬
schiedener europäischer und außereuropäischer Institutionen, die bereits vor
Jahrhunderten zusammengetragen wurden und bis heute um Neuzugänge
ergänzt werden. Zum anderen ist auf die vielen, an Zahl immer noch zu¬
nehmenden Arbeiten wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Aus¬
richtung zu verweisen, die diese Handschriften unter verschiedensten Ge¬
sichtspunkten analysieren und sich zudem bemühen, sie so vielseitig und
vielfältig wie möglich einem breiten Publikum zugänglich zu machen, was
häufig mit Hilfe moderner Methoden und Verfahren geschieht. Im Lauf der
Jahre erhielten die Stammbücher verschiedene Bezeichnungen und nahmen
verschiedene Formen an. Auch wenn ihre Einteilung und die Abgrenzung
zumindest der wichtigsten Typen wegen ihres variablen Charakters nicht
immer leicht ist, sollte doch versucht werden, eine solche Typologisierung
vorzunehmen und die Stammbücher wenigstens nach den Besitzern und
deren Schicksalen beziehungsweise nach der äußeren Form einzuteilen.
Stammbücher sind das Ergebnis einer rasant verlaufenden Entwicklung
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die bedeutende Veränderungen in
vielen Bereichen des damaligen Lebens mit sich brachte: in erster Linie zu
nennen ist die Entstehung und Ausdifferenzierung des Protestantismus und
dessen Veränderung von einer Verfolgungen ausgesetzten Lehre zu einer
legitimen religiösen Richtung, die sich eine erhebliche Beliebtheit sowie die
Unterstützung breiter Schichten erwarb. Damit in engem Zusammenhang
steht auch die allmähliche Veränderung der Bildungsansprüche, die nicht
nur an das Bürgertum, sondern mit der Zeit auch an die Angehörigen des
Adels gestellt wurden. Eine Folge dieser Ansprüche war einerseits die Bei¬
behaltung älterer Formen der akademischen peregrinatio, andererseits das
Auftreten einer neuen Erscheinung: der adeligen Kavalierstour, die für ihre
Teilnehmer einen unschätzbaren Gewinn in allen Bereichen ihres persönli-
488 " ~ ~~
chen
und öffentlichen Lebens bedeutete. Der protestantischen Lehre und
ihrer Attraktivität, beziehungsweise der Anziehungskraft ihrer führenden
Protagonisten sowie der gegenseitigen Solidarität ihrer Vertreter gebührt
wohl das Verdienst, an der Wiege der Stammbücher gestanden zu haben.
Aber ein anderes Phänomen der Zeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts,
nämlich die Kavalierstouren und Gelehrtenreisen der folgenden Jahrzehnte,
trug zu der erheblichen Verbreitung der Stammbücher bei. Diese erfasste
das gesamte gesellschaftliche Spektrum unabhängig von der sozialen Stel¬
lung der Stammbuchbesitzer und das ganze damalige Europa einschließlich
der Britischen Inseln sowie der angrenzenden Bereiche Kleinasiens - auch
wenn man diese
geografische
Spannweite zumeist nur für das Schreiben
von Einträgen nachweisen kann und nicht für das eigentliche Begründen
und Führen der Alba amicorum. Auf den Seiten der Stammbücher trafen
Vertreter führender aristokratischer Familien aus unterschiedlichen Teilen
des Reiches mit weniger bedeutenden Adeligen, Vertretern des Bürgertums,
verschiedenen Gelehrten sowie „unbedeutenden" Personen zusammen; junge
Leute aus Mittel- und Osteuropa trafen auf Gleichaltrige aus dem Westen.
Die Entstehung der Stammbücher ist bisher nicht vollkommen geklärt.
Im Gegensatz zu früheren Theorien, die eine Verbindungslinie zu ritterli¬
chen Turnieren und Festen zogen, wird heute mehr oder weniger allgemein
die „Wittenberger Theorie" akzeptiert, wonach die ersten Stammbücher in
den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts in Wittenberg im Umfeld der
dortigen Universität auftauchten. Dort fanden nämlich gleich mehrere be¬
deutende Zeitumstände zusammen, vor allem die reformatorische Theolo¬
gie und der Humanismus, verkörpert durch die führenden Persönlichkeiten
der Reformation, aber auch die reiche Entwicklung der Buch- und der
Drackkultur, die eng mit der Verbreitung und Verteidigung der neuen Lehre
zusammenhing. Die ersten Stammbücher (genauer gesagt Alba amicorum)
entstanden, weil sich die Studenten ein Andenken an ihre Lehrer bewahren
wollten, vor allem an Martin Luther und - besonders nach Luthers Tod - an
Philipp Melanchthon. Daher baten sie Luther und Melanchthon um einen
Eintrag in die Bücher, die ihnen als Studenten zur Verfügung standen: be¬
vorzugt wurden eigene Werke der Reformatoren, aber auch andere zum
Studium genutzte Bücher wie Bibel, Katechismus oder Gesangbuch. Die
wichtigen und hochgeschätzten Einträge der Reformatoren wurden später
um die Unterschriften weiterer Professoren und Kommilitonen ergänzt. Um
einen Eintrag gebeten wurden auch andere, in der Regel bedeutende oder
bekannte Personen, mit denen die Eigentümer des Stammbuchs in Kontakt
kamen, und zwar nicht nur in Wittenberg, sondern auch an anderen Orten,
die von ihnen später besucht wurden, oder im heimatlichen Umfeld, in das
sie nach Ende ihrer Studien zurückkehrten. Die Bedeutung, die den Einträ¬
gen der „Väter der Reformation" beigemessen wurde, belegt sowohl das In¬
teresse an dieser Lehre als auch Luthers und Melanchthons Anziehungs¬
kraft und ihre Bedeutung für die Studenten (und andere Personen): zu¬
nächst an der „Wiege der Reformation", dann aber auch an anderen Orten.
Die Unterschriften hatten somit nicht nur die Bedeutung einer „Reliquie",
sondern dienten mit der Zeit auch als Empfehlung, indem sie ein Empfeh¬
lungsschreiben ersetzten.
Eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei der Entstehung und besonders
der Verbreitung der Alben spielten weitere bedeutende Tendenzen und
Einflüsse der Zeit, so vor allem der Aufschwung des Buchdrucks und die
damit zusammenhängende Entwicklung der frühneuzeitlichen
Emblematik.
Andererseits konnte auch an ähnliche ältere Formen oder sogar Vorläufer
angeknüpft werden, vor allem an Autographen-Sammlungen oder Gästebü¬
cher. Ein Schlüsselmoment bei der Entstehung und dem Gebrauch der
Stammbücher waren die Worte
amiciţia
und
memoria.
Im Falle der
amici¬
ţia
handelte es sich ursprünglich um die Freundschaft von Menschen, die
einer bestimmten Gemeinschaft angehörten: nicht nur der Gemeinschaft der
Studenten im berühmten Wittenberg, in der Nähe allgemein respektierter
Personen, sondern auch der Gemeinschaft der Gläubigen, die sich (be¬
sonders in der konkreten Situation nach Luthers Tod und bedroht von Sei¬
ten der katholischen Kirche und der weltlichen Macht) fast in der Diaspora
befanden. Hieraus lässt sich auch die Bezeichnung Album amicorum ablei¬
ten, obwohl in diesem Fall eher der Begriff „Solidarität" verwendet werden
muss, also
Album sodalium, was ebenfalls gebräuchlich war. Das Wort
„Album" war freilich nicht neu: es wurde nicht nur von den Anhängern der
Reformation, sondern auch von den Humanisten allgemein im Sinne von
„Verzeichnis" oder „Register" benutzt. Die Bitte um eine Aufnahme in das
Album amicorum war als gängige Formel in Briefen bereits verbreitet, be¬
vor sich der Gebrauch der Stammbücher durchsetzte. Sie ist beispielsweise
bereits aus einem Brief Martin Luthers an Johann Cuspinian aus dem Jahr
1521 bekannt („. suscipe ergo
me in tuorum album
.") und sogar noch
aus einigen anderen, früheren Briefen. Gerade die Freundschaft
{amiciţia)
zwischen den verschiedensten, miteinander in Kontakt tretenden Personen,
—-
die sich als Mitglieder einer geistigen Gemeinschaft
{academia
oder
res
publica
luterana),
wahrnehmen konnten, spielte in den humanistischen
Kreisen allgemein eine bedeutende Rolle. Die Humanisten bekannten sich
darüber hinaus durch die Betonung der Freundschaft zum Vermächtnis
Francesco Petrarcas und dem mit ihm verbundenen Freundes- und Freund¬
schaftskult. Gerade Petrarca war der erste, der ganz bewusst auch kleine
Textsorten wie Briefe in die Pflege des Nachruhms einbezog und ihnen
Bedeutung beimaß, und auch
Erasmus
von Rotterdam sah in der Nennung
von Zeitgenossen in seinen Briefen und Werken einen Beitrag zu deren Un¬
sterblichkeit. Auch diese Ansichten hatten jedoch noch ältere Wurzeln:
zum einen hängen sie mit der mittelalterlichen Auffassung des Wortes „Al¬
bum" in der Bedeutung von
Uber vitae,
„Buch des Lebens", auch
„Dipty¬
chům", Liber confraternitatis,
„Gebetsverbrüderungsbuch" zusammen. Zum
anderen greifen sie weiter in die Antike zurück und stehen daher auch in
Verbindung mit deren Vermächtnis, denn der Begriff
„Diptychům"
wurde
gerade zu jener Zeit im Zusammenhang mit einer besonderen Form des
Freundschaftskults verwendet, der damals gepflegt wurde. Die humanis¬
tischen Gelehrten können sich dieser Tatsache, d.h. der Anbindung an die
Antike, bewusst gewesen sein - und auch die Umstände ihrer Zeit, die oft
Unsicherheit und Kriegsgefahr, Hunger und Epidemien brachte, trugen
sicherlich dazu bei,
dass
sie selbst den Wert der Freundschaft schätzten.
Die Betonung der Freundschaft lässt sich auch in Flugschriften des 16.
Jahrhunderts verfolgen, wobei es nach dem Verständnis der Zeit möglich
war, jemanden seinen Freund zu nennen, ohne
dass
es zu einem persönli¬
chen Kontakt gekommen wäre. Und auch dies zeugt davon,
dass
der Freu¬
ndschaft großes Gewicht beigemessen wurde und
dass
sie einen großen
Gewinn bedeutete. Neben der Freundschaft kam auch dem Wort
memoria,
das ebenfalls oft einen Bestandteil der Einträge in den Alben bildete, hohe
Wichtigkeit zu, aber auch dieses Wort war nicht neu: es wurde bereits seit
dem Beginn des Mittelalters in der Bedeutung liturgischen Bestattungsge¬
denkens verwendet, das nicht nur die Verstorbenen, sondern auch die Le¬
benden einschloss. Grundlage des Gedenkens an einzelne Personen war da¬
bei die schriftliche Fixierung ihrer Namen in Verbrüderungsbüchern,
Libri
memoriales
oder Alba, die oft auch mit dem bereits erwähnten biblischen
Begriff als „Buch des Lebens" bezeichnet wurden. Ziel dieser Einträge war
es, Unsterblichkeit und ewiges Leben zu erreichen, denn nach der Über¬
zeugung und dem Verständnis der Zeit konnte der Name durch den Eintrag
- _ : —
in ein tatsächliches, irdisches Buch in das überirdische, himmlische Buch
(das biblische
Liber
vitae)
gelangen, und nur der, der in dieses Buch einge¬
tragen war, würde nach den Worten der Apokalypse ein Bewohner des
himmlischen Jerusalems werden können. Bereits Ende des 15. und stärker
noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts war dieses Gedenken säkularisiert
worden und hatte eine Bedeutungsverschiebung zum Gedenken der Nach¬
kommen erfahren. Dieses konnte durch eine schriftliche Fixierung sowohl
der eigenen Taten als auch der Taten der Vorfahren in den unterschiedlichs¬
ten Dokumenten erreicht werden, wobei gerade der schriftlichen Aufzeich¬
nung eine zentrale Rolle zukam. Gerade in jener Zeit lassen sich die An¬
fänge der adeligen „Geschlechterbücher" beobachten, die sich bemühten,
den Ursprung des Geschlechts soweit wie möglich - d. h. bis zu seinen
mystischen Anfangen - zurückzuverfolgen, wobei auch Fälschungen in
Kauf genommen wurden. Ähnlich gingen nach dem Vorbild des Adels auch
die Patrizier- und Bürgerfamilien vor, die ihre eigenen „Familienbücher"
anlegten. Diese Bücher wurden auch als „Stammbücher" („Stammen-
bücher") bezeichnet. Ein aus dem protestantischen Nürnberg stammendes
Buch dieser Art trägt beispielsweise die Titelinschrift ,J)er Fürer erbarn
Geschlecht, Stammen Freundschaft und altem Herkommen"; im „Ge¬
schlechterbuch" der Nürnberger Familie Köler wird noch 1540 das mittel¬
alterlich definierte Ziel
memoria
angeführt: „ dadurch wir nichtt allein hie
vor der menschen gedechtnus wir
dig
eingeschrieben erfunden, sondern
auch vor
gott
in das buch des lebens". Das Interesse an den eigenen Vorfa¬
hren und der eigenen Herkunft führte allmählich zur Einrichtung der ersten
Wappen- oder, breiter gefasst, Adelsgalerien bis hin zu barocken Por¬
trätgalerien und „Ahnensälen". Neben diesen Familienerinnerungen
(me¬
moriae)
wurde jedoch gleichzeitig auch die Bedeutung der eigenen, indivi¬
duellen Erinnerung für die Rekonstruktion und Reflexion des eigenen Le¬
bens betont. Beide erwähnten Momente, d. h.
amiciţia
und
memoria,
die an
ein älteres Verständnis anknüpften, bewahrten während der ganzen Zeit der
Verwendung von Stammbüchern ihre Bedeutung, wenn auch in immer stär¬
ker formalisierter Form. Die beiden Gründe, sich in ein Stammbuch einzu¬
tragen, führt auch ein Zitat an, das als
„Judicium
de albis amicorum " beze¬
ichnet und Melanchthon zugeschrieben wird:
„Duas
ob
causas
aliorum in-
scribimus
libris
rogati; primo, ut librorum
possessores
recordentur suisque
posteris indicent,
quibus in
lods
et
quo
tempore versati
sunt.
Secundo,
ut
certa habeant testimonia, quibuscum familiariter vixerint, et qui vera ami-
_ . .
cítia illisfuerint
conjuncţi."
Wenn also laut Melanchthon jemand um einen
Eintrag gebeten wurde, trug er sich aus zwei Gründen ein: zum einen, da¬
mit sich die Eigentümer der Bücher später erinnern und ihren Nachfahren
Nachricht geben konnten, wann sie sich wo aufgehalten hatten; zum ande¬
ren, um zuverlässig belegen zu können, mit wem sie Kontakt hatten und
mit wem sie durch wirkliche Freundschaft verbunden waren. Es ist offen¬
sichtlich, auch wenn es in dem genannten Zitat nicht ausdrücklich gesagt
wird,
dass
dabei auch die Frage nach dem gesellschaftlichen Prestige eine
keineswegs unbedeutende Rolle spielte - gerade der Eintrag einer bedeu¬
tenden, bekannten und hochgestellten Person konnte die eigene Wichtigkeit
des Stammbuchbesitzers belegen. Melanchthons Zitat ist zwar in seinem
Werk nicht belegt, aber auch in einigen Stammbüchern findet sich ein
Verweis darauf. Und selbst wenn der Text nicht von Melanchthon stammen
sollte, so ist die Verbreitung dieses Gedankens bereits im 16. und später im
17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts interessant - und für den weiteren
Gebrauch der Stammbücher von Bedeutung.
Nicht zu unterschätzen war in den Anfängen der Alba amicorum die
Rolle des gedruckten Buches, da es der primäre Träger war, durch dessen
Vermittlung sich das Phänomen verbreitete. Neben den ursprünglich über¬
wiegenden theologischen Büchern fanden immer häufiger verschiedene
emblematische Titel Verwendung, vor allem die berühmten
Emblemata
des
italienischen Juristen Andrea Alciati, aber nach und nach auch illustrierte
Bücher, die die klassisch-antike oder biblische Literatur zugänglich mach¬
ten und unter denen sich vor allem die Ausgaben von Ovids Metamorpho¬
sen und Äsops Fabeln besonderer Beliebtheit erfreuten. Viele dieser Titel
wurden speziell für die Verwendung als Stammbücher hergerichtet, und
zwar nicht nur durch das Einbinden leerer Blätter, sondern auch durch an¬
dere Veränderungen. Daneben wurden sehr früh Bücher herausgegeben, die
ausschließlich leere Seiten enthielten, nur mit gedruckten Schmuckbordü¬
ren versehen und gezielt zur Verwendung als Stammbücher bestimmt wa¬
ren. Das Erscheinen des ersten solchen Bandes Ende der fünfziger Jahre
des 16. Jahrhunderts belegte die erhebliche Verbreitung dieses Phänomens
schon zu jener Zeit und lieferte zugleich eine Anregung zu weiterer Ver¬
wendung. Der Höhepunkt der Entwicklung war in dieser Richtung die He¬
rausgabe gedruckter Bücher mit verschiedenen Sentenzen und vor allem
Abbildungen, einschließlich leerer Wappenschablonen, die dazu gedacht
waren, fertig gemalt und in Stammbüchern verwendet zu werden. Im Un-
tertitel
des ersten dieser Bücher, der
Flores Hesperidum
aus dem Jahr 1573,
erscheint zum ersten Mal ausdrücklich der Begriff „Stammbuch", der dann
in der Folgezeit vor allem im deutschsprachigen Raum ausschließlich ver¬
wendet wurde. Ähnliche vorgedrackte Stammbücher erschienen auch in
den folgenden Jahren und gipfelten in den Werken
Emblemata
nobilitati
(1592) und
Emblemata saecularia
(1596) des Theodor de
Bry.
Als Stamm¬
bücher wurden auch weitere emblematische und illustrierte Bücher
verwendet, auch wenn das Interesse an gedruckten Büchern bei den Stamm¬
buchbesitzern allmählich abnahm.
Waren in der Anfangszeit der Stammbücher die bereits erwähnten Mo¬
tive entscheidend (das Bemühen, sich das Andenken an verschiedene Per¬
sonen zu bewahren; der Wunsch, sich der gegenseitigen Freundschaft zu
versichern), spielten in späterer Zeit auch die Inspiration durch bereits exis¬
tierende Stammbücher und der Wunsch diese nachzuahmen eine nicht un¬
bedeutende Rolle. Zudem ist der Modecharakter dieser Erscheinung zu
berücksichtigen, wodurch die primären Gründe für die Entstehung von
Stammbüchern in den Hintergrund gedrängt werden konnten. Die ursprüng¬
lichen Beweggründe, ein Stammbuch anzulegen und zu führen, waren rein
individuell beziehungsweise persönlich gewesen und hatten sich aus den
eigenen inneren Bedürfnissen des Besitzers ergeben. Jetzt traten äußere
Anregungen hinzu, die sich mit dem inneren Moment zu dem Bedürfnis der
Selbstdarstellung nach außen verbanden beziehungsweise diese geradezu
forderten. Gelegenheit dazu lieferte das Prinzip oder besser gesagt der Ent¬
stehungsmechanismus der Stammbücher: diese wurden verschiedenen Per¬
sonen vorgelegt, die um einen Eintrag gebeten wurden und denen die Mög¬
lichkeit gegeben wurde, sich gleichzeitig mit der ganzen Handschrift und
mit den Einträgen bereits früher angesprochener Personen bekannt zu ma¬
chen. Die Angesprochenen konnten sich daher sowohl durch das Stamm¬
buch als Ganzes als auch durch einzelne Einträge eine Meinung über den
Eigentümer des jeweiligen Buches bilden. Aus diesem Grund war es wün¬
schenswert, Unterschriften hochgeschätzter Persönlichkeiten zu bekom¬
men, die das Prestige des Stammbuchs und dadurch auch seines Eigentümers
erhöhten, und zugleich zu erreichen,
dass
das vorgelegte Buch bereits auf
den ersten Blick interessierte (und repräsentierte). Gerade wegen dieses As¬
pekts waren die Stammbücher bereits auf Grund ihrer Form ein unver¬
gleichlich attraktiveres schriftliches Produkt als andere zeitgenössische
Alternativen literarischen Charakters, die eine Person betafen und von
— . . .
einer Person geschaffen waren: gemeint sind die „Ego-Dokumente", also
Tagebücher oder Autobiografien, Briefwechsel, aber auch
typologisch
ana¬
loge Sammlungen von Autographen beziehungsweise verschiedenen Sen¬
tenzen. Während Tagebücher und in der Regel auch Autobiografien als rein
individuelle und geschlossene Dokumente verstanden werden können und
im Gegensatz dazu Sammlungen von Autographen oder Sentenzen, die von
ihren jeweiligen Eigentümern zusammengestellt worden waren, eine engere
Bindung an die betreffende Person vermissen Keßen (abgesehen von der
durch sie selbst vorgenommenen Auswahl), ermöglichte es der Briefwech¬
sel, eigene Ansichten auch gegenüber anderen Personen auszudrücken und
mit diesen in engen Kontakt zu treten. Im Gegensatz zu den Stamm¬
büchern, die ebenfalls tendenziell offen waren und Außenwirkung besaßen,
konnten Briefe jedoch nur eine begrenzte Zahl von Menschen verbinden -
gewöhnlich nur die beiden Korrespondenten. Das Stammbuch als geme¬
insames Werk mehrerer Personen ermöglichte es ebenso wie der Brief,
durch Mitteilung bestimmter (wenn auch in ihrem Umfang begrenzter)
Gedanken Kontakte zu knüpfen, wobei allerdings eine sehr viel größere
Zahl von Personen involviert war. Zugleich bot sich die Möglichkeit, die
eigene Person - und zwar sowohl die des Eintragenden (in seinem jeweili¬
gen Eintrag) als auch die des Eigentümers (im Stammbuch als Ganzem) -
gegenüber einem größeren Personenkreis zu stilisieren und zu präsentieren.
Außerdem waren die Stammbücher als Mittel der Selbstdarstellung ihrer
Eigentümer viel weniger kostspielig als die potenziellen Alternativen (z. B.
architektonische Objekte, aber auch Grabmäler u. ä.) und zudem viel indi¬
vidueller, dauerhafter und mehr
„sophisticated"
als andere distinktive Zei¬
chen des Individuums, wie z. B. Kleidung.
Größere Möglichkeiten der Selbstdarstellung hatte, wer aktiv wurde und
ein Stammbuch anlegte, wobei eine ganze Palette unterschiedlicher Mittel
zur Verfügung stand. Der Eigentümer des Stammbuchs konnte als Grund¬
lage ein gedrucktes Buch wählen, wobei zu diesem Zweck hauptsächlich
philosophische oder theologische Werke geeignet waren. Besonders attrak¬
tiv waren auch illustrierte Bücher, seien es Titel aus der klassischen Litera¬
tur, eines der zahlreichen Bücher mit Emblemen oder vorgedruckte
Stammbücher mit leeren Schablonen für Wappen. Einige Wissenschaftler
sehen die Wahl emblematischer Bücher als Ausdruck eines Bedürfnisses,
sich dem adeligen Umfeld beziehungsweise den Gelehrtenkreisen anzupas¬
sen, denn gerade diesen Werken sei eine solche integrierende Funktion
- - —
zuzusprechen. Dieser These steht allerdings die große Zahl jener Stamm¬
buchbesitzer entgegen, die diese Bücher gerade nicht gewählt haben - und
von ihnen kann sicherlich nicht behauptet werden, sie seien an einem sol¬
chen Integrationsprozess nicht interessiert gewesen. Bereits Ende des 16.
und vor allem zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren jene Stammbücher,
die aus schlichten, unbeschriebenen (bzw. unbedruckten) Blättern bestan¬
den, deutlich in der Mehrzahl. Neben den niedrigeren Anschaffungskosten
spielte ein weiterer Vorteil eine Rolle, der den aus leeren Blättern gebunde¬
nen Büchern eigen war: es gab nämlich viel mehr Raum für Einträge, und
zugleich bestand die Möglichkeit, sich eine ganz eigene, individuelle
Sammlung von Einträgen zu schaffen, die ohne Einfluss irgendeines Mus¬
ters oder einer Vorlage entstand und so ein viel persönlicheres Zeugnis über
ihren Eigentümer ablegte. Ein Druck, der in großer Zahl herausgegeben
wurde, dadurch schematisiert und außerdem vermutlich relativ leicht und
recht preiswert zugänglich war, musste nicht unbedingt attraktiv wirken,
sondern konnte durch seine Einförmigkeit auch abstoßen - und so wurde
ein Band mit gänzlich leeren Seiten bevorzugt. Damit ist zugleich die sche¬
inbar paradoxe Tatsache erklärt,
dass
die ersten vorgedruckten Stammbü¬
cher keine sonderlich markante Verbreitung aufwiesen. Die erwähnten
Blankobände belegen eine weitere Vertiefung der Individualität gerade
durch die Stammbücher selbst.
Die Repräsentativität der Stammbücher konnte auch durch eine andere
interessante Handschrift erreicht werden, die als Grundlage eines neuen
Albums gewählt wurde, oder man benutzte ein älteres Stammbuch, das
z. B. noch von einem anderen Familienmitglied stammte - dieses konnte
dann zusätzlich als Beleg einer familiären Kontinuität dienen. Eine deutlich
dekorative, aber auch repräsentative Rolle spielten die Bindung, der Schnitt
oder der gewählte Schreibstoff. Gelegenheit zur direkten persönlichen Prä¬
sentation bot jedoch vor allem die Titelseite, die grundlegende Angaben
zum Stammbuch und seinem Eigentümer enthielt, die freilich durch weitere
Bild- oder Textbeiträge ergänzt werden konnten. Einen bedeutenden Platz
nahmen vor allem die Aufforderungen an die zukünftigen Beiträger ein. So
erlaubten es sich die Stammbuchbesitzer nicht selten, die Seiten der Ein¬
tragenden mit eigenen literarischen Versuchen oder Beiträgen zu schmüc¬
ken oder aber sie überließen dies geschätzten, literarisch begabten Personen
- und deren so ausgedrückte Freundschaft stärkte wiederum das Prestige
des Stammbuchbesitzers. Dieser besaß aber noch weitere interessante Mög-
4% —-
lichkeiten,
mit denen er die Gestalt seines Albums bestimmen und seiner
Sammlung den letzten Schliff verleihen konnte. Damit ließ sich eine gewis¬
se „Ohnmacht" kompensieren, mit der er sonst als nur passiver Beobachter
das Füllen seines Stammbuchs mit fremden Einträgen beobachten musste.
Gedacht ist hier zum Beispiel an verschiedene Stiche, aber auch an beson¬
dere farbige, marmorierte, gesprenkelte oder silhouettierte Papiere, die
ursprünglich aus dem Orient stammten und so entweder eigene Fernreisen
des Besitzers belegten oder zumindest Kontakte andeuteten, die solche
Papiere beschaffen konnten. Auch kleine, oft sehr kostbare Kunstwerke
wurden für die Stammbücher erworben, und großer Beliebtheit erfreuten
sich bestimmte Gedenkeinträge, die eigentlich nicht dem Stammbuchbesit¬
zer, sondern anderen Personen gewidmet waren. Dieser Typus, in Form von
Einkleben ausgeschnittener Autographen der „Väter der Reformation" oder
anderer bedeutender Personen, tauchte bereits in den Anfangen des
Stammbuchwesens auf, und auch später sollte das Einfügen sogar ganzer
Einträge in das eigene Stammbuch dabei behilflich sein, dessen Qualität
und damit auch das eigene Prestige zu erhöhen: durch einen berühmten
Namen, ein anmutig und interessant oder einfach nur farbig ausgeführtes
Wappen oder Bild, durch eine unbekannte Unterschrift von einem sonst
unzugänglichen Ort oder einfach durch eine enorme Vielzahl von Einträgen.
Während jeder Eigentümer eines Stammbuchs die äußere Form - von
der Bindung und den Maßen bis zur Gestaltung der Titelseite - nach sei¬
nem Geschmack und seinen Vorstellungen bestimmen konnte, hatte er auf
den eigentlichen Inhalt, abgesehen von den erwähnten einführenden Seiten
und besonderen Beilagen, keinen unmittelbaren Einfluss mehr. Die Form
der einzelnen Einträge konnte er nur mit den schon erwähnten Anweisun¬
gen am Anfang des Stammbuchs zu bestimmen versuchen, ihre Zusammen¬
setzung konnte er noch durch die Wahl der Personen beeinflussen, die sich
eintragen sollten, und dem Ergebnis seiner Bemühungen entsprach schlie߬
lich die Zahl der Einträge, die sein Stammbuch enthielt. Das Spektrum
potenzieller Beiträger war sehr breit, aber wer sich letztlich verewigte,
wurde zu einem gewissen Grad durch das Umfeld bestimmt, in dem sich
der Stammbuchbesitzer bewegte. Außerdem spielte die Zugänglichkeit der
in Frage kommenden Personen eine Rolle. Am häufigsten vertreten waren
natürlich Einträge, die an Freundschaften und gemeinsame Erlebnisse erin¬
nerten, und von Personen vorgenommen wurden, die sich in einer ähnli¬
chen Lebenssituation befanden wie der Stammbuchbesitzer (Studium, aka-
-----------------------------— -
Щ
demische Wanderung). Der Eigentümer strebte jedoch danach, auch Ein¬
träge von solchen Personen 2x1 gewinnen, die er zwar persönlich kaum
näher kennen konnte, die jedoch auf einer exponierten Stufe der sozialen,
kirchlichen, politischen, administrativen oder universitären Hierarchie stan¬
den. Dabei trat zu den beiden grundlegenden, immer stärker formalisierten
Motiven des Stammbucheintrags - Freundschaft
(amiciţia)
und Andenken
oder Erinnerung
(memoria)
- ein weiteres, praktisches und pragmatisches
Motiv: das Streben nach einer möglichst gelungenen Selbstdarstellung.
Dabei halfen gerade die Einträge oder wenigstens Unterschriften bedeuten¬
der Persönlichkeiten, wobei als absoluter, kaum erreichbarer Höhepunkt
der Eintrag jener Personen galt, die an der Spitze der gesellschaftlichen
Hierarchie standen: der Herrscher. Einige, wenn auch nicht gerade zahlreiche
Einträge dieser Art belegen,
dass
es nicht vollkommen unmöglich war, eine
solche Unterschrift zu erlangen; allerdings konnte hier von tatsächlicher
Freundschaft natürlich nicht die Rede sein. Zugleich verweisen diese Fälle
erneut auf die bereits angeführte Überlegung,
dass
die Stammbücher zwar
prinzipiell persönlichen Zwecken dienten, indem sie die Erinnerung an
einzelne Personen und die Begegnung mit ihnen bewahrten. Anderseits
besaßen sie die eindeutig den Charakter einer Empfehlung, indem sie zur
Selbstdarstellung ihrer Eigentümer beitrugen und deren sozialer Legitimie¬
rung dienten. Bedürfnisse dieser Art ergaben sich zwangsläufig aus den
kultur-
und mentalitätsgeschichtlichen Bedingungen der Zeit; sie hingen
eng mit dem Alter und der sozialen Stellung der Stammbuchbesitzer zu¬
sammen, die sich ja erst bemühten, einen festen, respektierten Platz in der
Gesellschaft zu finden. Dieser Prozess war für einen Adeligen ebenso
schwierig wie für einen Angehörigen des Patriziats oder des Bürgertums.
Gerade im Rahmen der Integration in die bestehende Gesellschaft konnten
Stammbucheinträge hochgestellter Persönlichkeiten als Referenz dienen -
besonders wenn sie sich in den Stammbüchern von Personen befanden, die
sich bis jetzt kaum auf eine andere (z. B. familiäre) Autorität stützen konnten.
Die Anlage eines Stammbuchs konnte auch als eine besondere Form der
Sammlertätigkeit gelten. Enthalten waren oft verschiedene Illustrationen
und Miniaturen, die häufig vom Stammbuchbesitzer selbst in Auftrag gege¬
ben und bezahlt wurden. Eine besondere Rolle spielten auch die Wappen,
die oft die einzelnen Einträge zierten: die Ausmalung übernahm ein profes¬
sioneller Maler, wobei der Eintragende die Kosten übernahm. Die Stamm¬
bücher waren daher wegen der Beteiligung mehr oder weniger bedeutender
498
Maler und natürlich wegen der für die Ausgestaltung aufgewendeten finan¬
ziellen Mittel relativ wertvolle Objekte, auch wenn die Anhäufung von
Besitz sicherlich kein Entstehungsgrund war. Durch das Hinzufügen teurer
und interessanter Miniaturen von bedeutenden Malern stieg ihr Wert noch
weiter - und oft handelten die Stammbuchbesitzer hier ganz bewusst und in
Wertsteigerungsabsicht. Andere Eigentümer verzichteten dagegen ganz auf
die künstlerische Ausgestaltung, so
dass
ihr Stammbuch für sie weiterhin
nur einen rein persönlichen Erinnerungswert hatte.
Dass
die Alben für ihre Eigentümer nicht nur zur Zeit der aktiven Benu¬
tzung von Interesse waren, sondern
dass
sie gerade zum Zweck der Erinne¬
rung geschaffen wurden, wird durch verschiedene Bemerkungen über den
Tod belegt, die den einzelnen Einträgen hinzugefügt wurden. Damit ver¬
stärkte sich der Erinnerungscharakter gerade auch im Sinne des bereits
erwähnten „Buchs des Lebens" deutlich. Außerdem ergänzten die Eigen¬
tümer in ihren Stammbüchern Beobachtungen und Ansichten zu den ein¬
zelnen Inskribenten oder detailliertere Erinnerungen an ihre Freunde. Zu¬
dem nutzten sie die Stammbücher für andere eigene Einträge unterschiedli¬
cher Art, seien es Gebete, Zitate oder ausführliche Beschreibungen der mo¬
mentanen psychischen Verfassung oder Situation. Solche Einträge waren
jedoch in der Regel bereits von intimem Charakter, d. h. sie besaßen keine
Ausrichtung nach außen, keine Außenwirkung·, sie standen weniger im
Dienst der Präsentation, sondern belegten die Reflexion des eigenen Le¬
bens. In dieser Form konnten Stammbücher von anderen Personen genutzt
und um weitere, mit dem ursprünglichen Stammbuch nicht mehr in Zusam¬
menhang stehende Einträge von allgemein historischem Wert oder Erirme-
rungscharakter ergänzt werden.
Während das Stammbuch als Ganzes zur Visitenkarte und zum Mittel
der Selbstdarstellung seines Besitzers wurde, besaß der einzelne Inskribent
dieses Möglichkeit wegen des beschränkten zur Verfügung stehenden
Raums nur in sehr viel begrenzterem Umfang. Seine Äußerungen konnte
der Eigentümer des Stammbuchs nur sehr begrenzt beeinflussen, im Wesen¬
tlichen nur durch die Aufforderungen und Anweisungen, die manchmal im
Vorwort standen, ansonsten blieb er gegenüber den Eintragenden „macht¬
los" und „lieferte sich ihnen aus". Viele von ihnen wussten dies auszunut¬
zen, die meisten jedoch hielten sich mit der Zeit immer mehr an eine for-
malisierte Form der Einträge, die sich sowohl in der Gestaltung des Ein¬
trags auf der Seite, als auch im sehr formalen Wortlaut der einzelnen Wid¬
mungen oder weiterer Texte äußerte. Aus dem Ton der Widmungen lässt
sich somit nur selten und in Ausnahmefällen auf die tatsächliche Beziehung
zwischen den Eintragenden und den Eigentümern schließen, weil obligato¬
rische Superlative und Höflichkeitsformeln oder geschliffene lateinischen
Passagen eventuell vorhandene Emotionen versteckten. Dennoch stellte auch
die mehr oder weniger geschliffene Form dieser Einträge ein Mittel zur
Präsentation des intellektuellen und kulturellen Niveaus des Schreibers dar.
Dasselbe galt für die weiteren Teile des Eintrags wie Unterschrift und Da¬
tierung. In den Unterschriften weckt dennoch die oft verwendete Formel
manu
propia
Interesse, die überraschen mag, da man doch davon ausgehen
kann,
dass
die Fähigkeit zu schreiben in dem Personenkreis, der sich in die
Stammbücher eintrug, zu jener. Zeit bereits selbstverständlich war. Wichtig
ist in diesem Fall freilich die Betonung nicht nur der Authentizität der an¬
gefügten Unterschrift, sondern vor allem der Beteiligung des Schreibers
selbst, der so in seinem Eintrag persönlich anwesend ist, sowie der Veran¬
twortung, die er für seinen Eintrag übernimmt. In den erwähnten Fällen (aber
auch in anderen Dokumenten) behält die genannte Formel ohne Rücksicht
auf den Grad der Alphabetisierung auch in der Folgezeit ihre Bedeutung -
und in der Kurzform m. p. hinter dem Namen taucht sie bis in die heutige
Zeit auf. Gelegenheit zur Darstellung (bzw. Selbstdarstellung) des intellek¬
tuellen Niveaus des Inskribenten boten auch verschiedene „raffinierte" und
scharfsinnige Arten der Datierung und der Notierung der Jahreszahl in
Form von
Chronogrammen
o. ä.
Die Datierung belegte auch das Beharren
auf dem Julianischen oder den Übergang zum Gregorianischen Kalender,
der nicht nur konfessionell und regional, sondern oft auch rein individuell
bedingt war, da er die Verbundenheit mit der Tradition betonen oder aber
ein Bekenntnis zur „neuen Zeit" ablegen konnte. Im Zusammenhang mit
dem Julianischen Kalender war es
z. B.
in der langen Zeitspanne von der
Mitte des 16. Jahrhunderts - als die Stammbücher aufkamen - bis fast zum
Ende des 17. Jahrhunderts offensichtlich beliebt, nach dem römischen Ka¬
lender zu datieren.
Selbstdarstellerischen Charakter hatte auch die Verwendung von Devi¬
sen, die vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts große Verbrei¬
tung und Beliebtheit erlangten, ebenso wie die Auswahl verschiedener Zita¬
te, Sentenzen, Sprichwörter u. a., manchmal auch eigener Textbeiträge, auch
wenn diese Passagen einen deutlich formellen Charakter hatten. Selbst ein
Zitat kann nicht als Beleg dafür gelten,
dass
das entsprechende Werk tat¬
sächlich gelesen wurde, denn nicht selten wurden die Zitate aus anderen
Stammbüchern oder Einträgen übernommen, und außerdem wurden zu die-
— ——
sem
Zweck die verschiedensten Zitaten- und Sprichwörtersammlungen, die
so genannten Florilegia, verwendet. Dennoch lässt sich aus den Stamm¬
bucheinträgen zumindest die Beliebtheit einiger Titel ablesen, vor allem der
Bibel, verschiedener antiker Autoren, allen voran Cicero und
Seneca,
oder
grundlegender Rechtskompendien, wobei festgestellt werden kann,
dass
auch durch diese Sentenzen in den Stammbüchern ein Großteil der Rezep¬
tion des antiken und frühmittelalterlichen Vermächtnisses vermittelt wurde.
Außer der Auswahl des Zitats oder eines anderen, gegebenenfalls eige¬
nen Textes präsentierte sich ein Beiträger auch durch die Auswahl der
Sprache oder der Sprachen, die seine intellektuelle Reife und sprachliche
Gewandtheit belegen sollten, auch wenn von der Verwendung der einzelnen
Zitate keinesfalls auf eine tatsächliche Kenntnis der jeweiligen Sprache
geschlossen werden kann. Dennoch sind in den Stammbüchern neben dem
üblichen Latein und Deutsch auch andere europäische Sprachen sowie Grie¬
chisch und Hebräisch als weitere „heiligen Sprachen" anzutreffen, manch¬
mal sogar verschiedene orientalische oder sonstige exotische Sprachen.
Einen spezifischen Aussagewert hatte auch die Reihenfolge der Einträge
in den Stammbüchern, die jedoch ganz beliebig war und ohne irgendeine
Hierarchisierung von statten ging. Die einzige allgemein respektierte Aus¬
nahme war die Platzierung von Einträgen höher gestellter Persönlichkeiten,
d. h. Angehöriger von Herzogs- und Fürstenfamilien, im Idealfall auch der
Herrscherfamilie, auf die vorderen so genannten „Respektblätter" des
Stammbuchs. Mitunter fanden sich auf diesen Seiten auch Einträge von
Personen, die dem Eigentümer besonders nahe standen, vor allem von Fa¬
milienangehörigen. Die Auswahl einer Seite für einen Eintrag war anson¬
sten vielmehr Ausdruck der Beziehung zum Eigentümer des Stammbuchs,
aber auch zu den anderen Eintragenden. Aus den Stammbucheinträgen ist
ersichtlich,
dass
die einzelnen Inskribenten sowohl mit dem Eigentümer des
Stammbuchs, dem sie im Übrigen ihre Einträge widmeten, als auch mitei¬
nander in Interaktion traten. Schließlich konnten alle zueinander in der
gleichberechtigten, „horizontalen" Beziehung Eintragender
vs.
Eintragen¬
der stehen, aber zugleich (ob nun theoretisch, potenziell oder tatsächlich, in
einem anderen Eintrag oder bei der Bitte um einen Eintrag ins eigene
Stammbuch) die „vertikale" Beziehungsebene Eigentümer
vs.
Eintragender
(oder umgekehrt) betreten und so zwei Rollen spielen. Jedes Stammbuch
hatte somit eine integrierende Funktion sowohl im Rahmen einer bestimm¬
ten gesellschaftlichen Gruppe als auch gegenüber dem gesellschaftlichen
Spektrum.
Gerade diese Funktion der Stammbücher ist sehr viel interessan¬
ter als die Einträge selbst, die zwar (neben Angaben eher prosopografischer
Prägung) etwas über ihre Autoren und deren Gedankenwelt aussagen, dies
aber nur bis zu einem gewissen Grad: eben weil sie entweder sehr formal
oder für nicht Eingeweihte unverständlich sind. Auch sie weisen jedoch
einen integrierenden Charakter auf, denn verschiedene Textbeiträge bezie¬
hungsweise deren Inhalt (seien es Zitate, Widmungen oder andere Elemen¬
te) waren sicherlich nicht nur einer Gruppe von Beiträgern eigen. Sie kön¬
nen nicht als Ausdruck ausschließlich „adeliger" oder „bürgerlicher" Men¬
talität bezeichnet werden, sondern sie durchdrangen sich gegenseitig und
wiederholten sich in verschiedenen Varianten und in den unterschiedlichs¬
ten Alben und Einträgen, ungeachtet der geografischen Region oder sozia¬
len Einordnung der Schreiber. (Es ist sicher zu fragen, welche Rolle dabei
die Tatsache spielte,
dass
Stammbücher in der Regel von jungen Männern
geführt wurden, die noch nicht so stark auf die von Alter und Stellung be¬
dingte Hierarchie achteten. Berücksichtigt man aber,
dass
andernorts die
entsprechenden Grenzen auch von diesem Personenkreis respektiert wur¬
den, und
dass
im Gegensatz dazu eine ähnliche „Missachtung" auch später
und in Stammbüchern von Personen deutlich wird, die ihr Stammbuch auch
in fortgeschrittenerem Alter fortführten, scheinen die Stammbücher in die¬
ser Hinsicht eine interessante Ausnahme darzustellen - und auch dadurch
zu einem bedeutenden kulturhistorischen Phänomen ihrer Zeit zu werden.)
Deutlich zeigte sich diese Tatsache zudem auf der Bildebene der Stamm¬
bücher, die neben zahlreichen Wappen vor allem aus Originalminiaturen
bestand. Da die Gestalt eines Wappens im Verlauf des 16. und in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts noch nicht zwangsläufig auf Dauer fixiert war,
bieten die Abbildungen in den Stammbüchern ein sehr interessantes und oft
unersetzliches Zeugnis ihrer Entwicklung, besonders da nicht immer andere
Quellen aus jener Zeit - noch dazu mit farbigen Abbildungen -zur Verfü¬
gung stehen. Darüber hinaus lassen sich im Zusammenhang mit ihrem Ge¬
brauch Fragen stellen, die mit der eigentlichen Verwendung von Wappen
und der Wahrnehmung ihrer Träger zusammenhängen, wobei es offensicht¬
lich Unterschiede gab zwischen Wappen des Adels, besonders des Hocha¬
dels, und des Bürgertums, für dessen Angehörige die Möglichkeit, ein
Wappen zu führen, ein Beleg für den sozialen Aufstieg war. Der deutlichen
Beliebtheit und Modegebundenheit der Wappen sowie der angedeuteten
integrativen Funktion der Stammbücher entspricht zugleich die Verbindung
502 ——_
ähnlicher Wappen mit Personen, die ansonsten keine Berechtigung zur
Führung eines tatsächlichen Wappens, also eines erblichen Zeichens hatten,
das zu jener Zeit bereits ausschließlich vom Herrscher verliehen wurde.
Einen ausdrücklich repräsentativen bzw. autorepräsentativen Charakter
hatten auch die verschiedenen Illustrationen, die in den Stammbüchern in
großer Zahl auftraten und anscheinend sowohl auf Kosten der Eintragenden
als auch der Eigentümer eingefügt wurden; letztere erhielten dadurch eine
weitere Möglichkeit, den repräsentativen Charakter ihres Albums zu erhö¬
hen. Die Themen dieser Beiträge (ebenso wie die einiger Textbeiträge)
waren sehr vielfaltig und hingen vom Typ des Stammbuchs ab. In der lan¬
gen Ära der Stammbücher durchdrangen sie sich gegenseitig, wobei es
nicht einfach ist, auch nur die grundlegenden Entwicklungstendenzen zu
bestimmen; sie wurden völlig frei übernommen (was aus dem Wesen der
Stammbücher selbst hervorging und mit ihrem Umlauf unter den unterschi¬
edlichsten Beiträgern zu tun hatte) und oft wiederholt. Die Illustrationen
sind so Ausdruck einer „kollektiven Mentalität" von Personen, die gerade
durch das Phänomen der Stammbücher vernetzt waren, ob es sich nun um
Adelige, Geistliche, Militärs, Höflinge, Beamte, Diplomaten oder Maler-
(bzw. andere) Gesellen handelte. Dies bedeutet sicherlich nicht,
dass
sich
alle Eintragenden mit allen Beiträgen identifizieren konnten, aber es ist
doch ein Beweis dafür,
dass
die Stammbücher auch in diesem Sinn eine
integrative
Funktion hatten: sie verbanden auf ihren Seiten nicht nur ver¬
schiedene Beiträger unterschiedlicher Herkunft und aus unterschiedlichen
Schichten, sondern auch verschiedene Äußerungen (Äußerungen ihrer indi¬
viduellen Mentalität), selbst wenn sich deren inhaltliches Niveau (auch
innerhalb der selben sozialen Gruppe und trotz eventueller Bemühungen
der Stammbuchbesitzer, die Zusammensetzung und Gestalt ihrer Alben zu
beeinflussen) erheblich unterscheiden konnte. Damit sind die frühneuzeitli¬
chen Stammbücher eine einzigartige Quelle zur Erkenntnis sowohl dieser
individuellen Mentalitäten, wie sie in den einzelnen Einträgen zum Aus¬
druck kommen, als auch ihrer Interaktionen, die zumindest für eine gewisse
Zeit im Grunde unverändert blieben.
Ein deutliches Übergewicht haben auf der Textebene der Stammbücher
religiös ausgerichtete Einträge, aber auch unter den Illustrationen kommt
verschiedenen biblischen und allgemein religiösen Motiven ein bedeuten¬
der Platz zu. Eine weitere bedeutende Quelle für die Bildbeiträge waren
Themen aus der antiken Mythologie und der Geschichte des Altertums,
— ■ —
wobei ein deutlicher Einfluss der zeitgenössischen Schullektüre und vor
allem der illustrierten Klassikerausgaben zu beobachten war, die nicht nur
mit ihren Texten, sondern auch mit ihren Bildern zu Vorlagen für eine Rei¬
he von Stammbüchern wurden. Sehr häufig findet sich die Verwendung
allegorischer Motive, die sowohl aus zeitgenössischen künstlerischen Quel¬
len als auch aus verschiedenen Büchern mit Emblemen stammten. Häufige
Themen, die mit der gesamten Ausrichtung und Wirkung der Stammbücher
zusammenhingen, waren vor allem Darstellungen verschiedener Tugenden
und Untugenden. Ein besonderer Platz kam dem Symbol der Fortuna zu,
aber auch rein satirische Motive fehlten nicht. Spezifisch für Stammbücher
waren auch zahlreiche Liebes- und erotische Motive, die eine breite Palette
unterschiedlichster Ausdrucksmittel umfassten und sowohl mit durchlebten
Liebesbeziehungen als auch mit Wahrnehmung und Erwachen der eigenen
Sexualität zusammenhingen. Eine reiche Quelle sind Stammbücher auch
für unterschiedliche Genrebilder, militärische Motive und Illustrationen
von Reiseerlebnissen, die in der Regel serienmäßig auf Bestellung angefer¬
tigt wurden und häufig den Charakter heutiger Ansichtskarten hatten. Por¬
träts nahmen nur einen kleinen Raum unter den Miniaturen ein, stattdessen
finden sich manchmal Kuriositäten wie arithmetische oder geometrische
Aufgaben und vor allem Einträge von Personen ohne Hände, die ein inte¬
ressanter Beitrag zur Erkenntnis des Schicksals von Behinderten in der
Vergangenheit sind. Einen spezifischen Charakter hatten auch Einträge in
Notenform. Unter den Illustrationen und Textbeiträgen durfte zudem die
Reflexion des Todes nicht fehlen.
In der angedeuteten Form entwickelten sich die Stammbücher zu einem
ausgesprochen faszinierenden kulturhistorischen Phänomen, das die unter¬
schiedlichsten Aspekte des Lebens der frühneuzeitlichen Gesellschaft bet¬
rifft und belegt - freilich jenes Teils der Gesellschaft, der Zugang zu den
Dingen hatte, die am Beginn des Stammbuchwesens standen und in der
Folgezeit mit ihnen untrennbar verbunden waren: gemeint ist hier vor allem
die Bildung, die in der Frühen Neuzeit im Prinzip auf den männlichen Teil
der Gesellschaft beschränkt blieb. Dennoch tauchen nahezu seit den An¬
fängen dieses Phänomens scheinbar paradoxerweise Stammbücher von
Personen auf, die schon aufgrund ihres unterschiedlichen Zugangs zur Bil¬
dung oder der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht nicht zu dieser
Gruppe gehörten. Stammbücher von Frauen haben sich zwar in viel gerin¬
gerer, keineswegs aber in zu vernachlässigender Zahl erhalten, und durch
504 ~~ -—~-~~
ihre Form unterschieden sie sich oft deutlich von ihren männlichen Pen¬
dants. Trotz der Unterschiede und Unzulänglichkeiten, die weibliche
Stammbücher und vor allem Einträge von Frauen aufweisen, können sie
keinesfalls als Nachweis für ein niedrigeres Niveau der Eigentümerinnen
von Stammbüchern oder der Inskribentinnen dienen, sondern belegen allen¬
falls deren beschränkte beziehungsweise unzureichende Bildung, andere
Vorstellungen von ihrer Zukunft und Bestimmung und den damit verbun¬
denen Möglichkeiten. In gewisser Weise wird hier auch der Charakter des
Umfelds deutlich, in dem sich diese Frauen bewegten - und manchmal
scheint das Bestreben auf, sich den Männern in den Einträgen zumindest
teilweise anzunähern oder es ihnen gar gleich zu tun. In der Frühen Neuzeit
waren solche Handschriften nur im Adel zu verzeichnen, und Mädchen aus
bürgerlichen Familien wurden von dem Phänomen erst später erfasst, als es
bereits einen langsamen Veränderungsprozess durchlief.
Die angeführten Tatsachen bilden eine ausreichend begründete Grund¬
lage, um Stammbücher oder Alba amicorum für ein bedeutendes kulturhis¬
torisches Phänomen der Frühen Neuzeit halten zu dürfen, auch wenn sich
deren Existenz in fast unveränderter Form weit in die Neuzeit hinein erhal¬
ten hat. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert wurde allmählich ein anderer
Ansatz bei der Führung der Stammbücher deutlich, und zwar sowohl von
Seiten Einzelner als auch von Seiten gesellschaftlicher Gruppen. Für die
Angehörigen des Hochadels erfüllten die Stammbücher stets eher die Funk¬
tion einer Autographen-Sammlung und eines Gästebuchs (und zwar auch
für Frauen), und ihre Handschriften zeichnen sich weder durch reiche Text¬
oder Bildgestaltung noch durch auffallende Repräsentativität aus. Diese
Ziele konnten die hochadeligen Eigentümer solcher Alben nämlich durch
ganz andere, weitaus zweckdienlichere Medien erreichen. Für Angehörige
weniger bedeutender Adelsfamilien und vor allem für Bürger behielten die
Stammbücher jedoch ihre Bedeutung und wurden zu einem wichtigen Mit¬
tel der Selbstdarstellung. Dem entsprach auch ihre äußere Gestalt sowie das
Bemühen, sie nach außen hin so gut wie möglich auszustatten und mit einer
großen Zahl von Einträgen von bedeutenden Persönlichkeiten und mit
prächtigen Wappen, Miniaturen oder anderen Beilagen zu füllen. Das Be¬
dürfnis nach Selbstdarstellung war individuell und in einer Reihe von Fäl¬
len standen weiterhin die Gründe im Vordergrund, die in den Anfangen des
Stammbuchwesens prägend gewesen waren: das schlichte Bedürfnis, Per¬
sonen zu erfassen, zu denen freundschaftliche Bindungen bestanden, um
ein Andenken an sie zu bewahren. Diese Gründe besaßen vor allem in Ge-
—— SOS"
lehrtenkreisen
Gültigkeit, wo sie jedoch bereits im Verlauf des 17. Jahrhun¬
derts an Bedeutung verloren und mit dem Beginn der Aufklärung fast völ¬
lig verschwanden. Während sie in den folgenden Jahren auch beim Adel
allmählich in den Hintergrund traten und dieser das Interesse an den
Stammbüchern verlor, galt für das Bürgertum - und zwar nicht nur auf den
deutschsprachigen Raum beschränkt - nahezu das Gegenteil. Stammbücher
gerieten hier nicht in Vergessenheit, sondern erlebten Ende des 18. und zu
Beginn des 19. Jahrhunderts eine neue Phase intensiver Verwendung. Na¬
türlich bestand hier ein Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Emanzi¬
pation des Bürgertums sowie mit der erwachenden deutsch-nationalen Be¬
wegung. Damals wurde das Stammbuch auch immer stärker von Frauen
frequentiert; bisher waren diese (mit Ausnahme der Alben einiger Adeliger)
nur auf die Rolle sporadischer Inskribentinnen im eng begrenzten famili¬
ären Umfeld beschränkt gewesen. Diesem neuen Phänomen ist eine große
Anzahl von Stammbüchern mit bereits modifiziertem Charakter zu verdan¬
ken, die spätestens ab den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts zur „Frauen¬
sache" wurden und ab Ende des 19. Jahrhunderts als Poesiealben Eingang
in die Klassen der Mädchenschulen fanden: in dieser Form überlebten die
Stammbücher bis heute.
506
Obsah
Předmluva
5
I. Úvod
9
II.
Památníky v historiografii
19
III.
Cesty za vzděláním
67
IV.
Terminologické otázky
99
V. Typologie památníků
110
VI.
Vznik, původ a rozšíření památníků
120
VII.
Památníky a tištěné knihy
160
VIII.
Vedení památníků
-
prezentace držitele
183
IX.
Záznamy v památnících
—
prezentace zapisovatele
248
X.
Tematické rozložení záznamů v památnících
314
XI.
Ženské památníky
375
XII.
Epilog
-
vývoj štambuchů v
18. - 20.
století
391
XIII.
Závěr
407
XIV.
Seznam pramenů a literatury
419
XV.
Seznam obrazových příloh
480
XVI.
Seznam zkratek
486
560
XVII. Frühneuzeitliche Stammbücher als Mittel
individueller Selbstdarstellung (Zusammenfassung) 488
XVIII.
Abecední seznam využitých památníků
507
XIX.
Chronologický seznam využitých památníků
519
XX.
Grafické přílohy
530
XXI.
Rejstřík jmen a zeměpisných názvů
532
561
Spis tresci
WSTÇP 7
TRUDNE PRZYJAZNIE
Joachim Lelewel .clajq porçkç pod odpowiedzialnosciq
os oh is tq i z majqtku mojego za Jmci Panern
Adamern Mickiewiczem. 17
Zygmimt Krasihski .przyjdzie i jak upior bçdzie deptal
po trupie. 73
Cyprian Nonvid . / rozmawialem z nun
do zachodu slohca. 111
PRZESZLOSC, WSPÔLCZESNOSC, EMIGRACJA
Niedokohczone historié, czyli Mickievvicz i Namszewicz
w roli dziejopisow 133
Jak w karczmie zajezdnej, czyli Mickiewicz
wobec Zachodu 151
W MATECZNIKU POETY
Natura i egzystencja (Stepy Akermahskie) 173
Litewski raj {Pan Tadeusz) 185
Na obraz i podobiehstwo (Broh rnnie przed sobq samym. ) 209
Byc w centrum wszechswiata (Widzenie) 227
Czlowiek z latarki\ (Ustqp z III cz. Dziadow) 243
Zmoskalony Zyd wieszczem narodu polskiego 261
ANEK.S
Adam Mickiewicz, Stepy Akermahskie 283
Adam Mickiewicz, Pan Tadeusz (fragm. IV ks.) 284
Stefan Witwicki, [opis puszczy, fragm.] 287
Adam Mickiewicz, Bron rnnie przed sobq samym. 289
Adam Mickiewicz, Widzenie 291
Tadeusz Rözewicz, Nasz Wieszcz Adam 294
NOTA BIBLIOGRAFICZA 297
INDEKS 299 |
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